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Monika Materne, Pflegedienstleitung Sozialstation Schmallenberg Quelle: Caritasverband Meschede e.V..

Im Interview 

Monika Materne, Pflegedienstleitung Sozialstation Schmallenberg, Caritasverband Meschede e.V.

Im Rahmen der Studie zur Arbeitsplatzsituation in der Akut- und Langzeitpflege lag ein Fokus auch auf Indikatoren für gute Arbeitsbedingungen sowie Maßnahmen, die Einrichtungen ergreifen können, um Zufriedenheit und Attraktivität des Arbeitsplatzes zu erhöhen. Gemeinsam mit verschiedenen Praxispartnern wurden Handlungsempfehlungen und identifizierte Maßnahmen erprobt. Hier finden Sie erste Stimmen dazu.

Wo liegt für Sie aktuell die größten Herausforderungen im Umgang mit Ihren Mitarbeitenden in der Pflege?
Monika Materne: Wir kämpfen noch immer mit den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Die Mitarbeitenden sind regelrecht ausgebrannt, und wir haben einen hohen Krankenstand. Das heißt, dass wir den Dienstplan oft neu gestalten, im schlimmsten Fall sogar Touren verändern oder bei Klienten absagen müssen. Darüber hinaus spüren wir den Fachkräftemangel, was es oft kompliziert macht, den Dienstplan abzudecken. Es bewerben sich immer weniger Menschen und unser Team hat einen relativ hohen Altersdurchschnitt – es fehlt an Nachwuchs. Außerdem wird es für uns immer schwieriger, geeignete Leitungskräfte zu rekrutieren oder die vorhandenen Leitungskräfte zu motivieren, da diese ja bereits mit einem höheren Arbeitsaufkommen zu kämpfen haben. Tatsächlich haben wir in den vergangenen Jahren auch eine Veränderung in der Kommunikation erlebt. Seit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine herrscht ein wesentlich rauerer Ton seitens der Angehörigen oder der Klienten gegenüber unseren Mitarbeitenden – die Menschen sind sehr angespannt, was sich natürlich auch auf unsere Arbeit auswirkt.

Gibt es Besonderheiten aus der Perspektive einer ambulanten Pflegeeinrichtung und wenn ja, welche?
Monika Materne: Eine Herausforderung in der ambulanten Pflege ist, dass ein/e Mitarbeiter/in an jedem Tag in seiner Tour alle Klienten alleine versorgt. Fällt diese Person aus, muss eine 1 zu 1 Besetzung erfolgen. Im ambulanten Pflegedienst liegt außerdem eine hohe Verantwortung bei den Leitungen, denn das tägliche Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist unumgänglich. Dabei geht es um Rückmeldungen in der Versorgung, Probleme und auch um schnelle Entscheidungen, die den Klienten betreffen. Oft ist die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege schwierig, da zwar mehrere Leistungen erbracht werden, aber nur eine abgerechnet werden darf. Hier gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Und natürlich ist die ambulante Pflege auch eine emotionale Herausforderung für die Pflegekräfte. Sie bekommen nicht nur einem kurzen Lebensabschnitt eines Klienten mit, sondern die komplette Lebenssituation mit allen Sorgen, Nöten und Krisen.

Welche(n) Indikator(en)aus dem Forschungsprojekt haben Sie sich für die Zusammenarbeit ausgesucht, und warum?
Monika Materne: Wir haben uns im Rahmen des Projektes unter anderem auf das Thema „Frei ist Frei“ konzentriert. Denn die freie Zeit und freie Wochenenden sind allen heilig und sehr wichtig, um im persönlichen Gleichgewicht zu bleiben. Wir haben uns diesem Thema als Team gewidmet und versuchen transparenter zu sein und Mitarbeitenden stärker in Entscheidungen mit einzubeziehen. Dazu zählt auch, dass wir die altersgerechte Arbeitsbelastung beachten, damit unsere Mitarbeitenden bis zur Rente gesund bleiben. Wir arbeiten außerdem daran, Generationsunterschiede und die damit verbundenen unterschiedlichen Ansprüche und Interessen miteinander im Team harmonisch umzusetzen.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Umsetzung der Handlungsempfehlung gemacht?

Monika Materne: Wir erproben derzeit noch ein neues System von Flexibilitäts- und Hintergrunddiensten. Fällt ein/e Mitarbeiter/in aus, springt ein/e Mitarbeiter/in aus dem Hintergrunddienst ein und bekommt diesen Dienst auch extra vergütet. Damit wollen wir dem Wunsch der Mitarbeitenden nach dem „Frei ist Frei“ gerecht werden. Wir sind transparenter gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geworden, was auch bedeutet, dass wir über alles im Team sachlich und ehrlich sprechen – von der Planung und Umsetzung der Touren, dem Dienstplan sowie der Wirtschaftlichkeit. Das schätzen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr. Beim altersgerechten Arbeiten haben wir eine große Zufriedenheit erreicht, indem wir zum Beispiel auf genügend freie Tage zwischen den Diensten achten. Bei einigen der jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir gemerkt, dass die Belastung unterschiedlich ist und so im Dienstplan auch anders hinterlegt werden sollte. Wir bemühen uns, ihnen zusätzliche Aufgaben anzuvertrauen und durch Fortbildungen zur Praxisanleitung, in der Palliativ-Care oder im Wundmanagement einen höheren Stellenumfang zu ermöglichen. Generell arbeiten wir daran, den Zeitdruck in der Pflege zu reduzieren, indem wie zum Beispiel bereits im Beratungs- und Aufnahmegespräch bei Kunden Bedarfe, Wünsche, Vorstellungen und Zeitfenster genau abfragen und hinterlegen.  

Welche Tipps können Sie anderen ambulanten Pflegeeinrichtungen geben?
Monika Materne: Aus unseren gemachten Erfahrungen können wir empfehlen, den Mitarbeitenden gegenüber mehr Transparenz zu wagen, gerade auch hin Hinblick auf Ablauf und wirtschaftliche Auswirkungen. Das führt zu einer selbstbestimmteren Arbeit und mehr Eigenverantwortung. Dazu zählt natürlich auch ein kollegialer Führungsstiel nach FACE, F= Fair (Nie unfair), A= Angstfrei; C= Charaktervoll, E= Ehrlich, empathisch. Ein weiterer Lerneffekt lag für uns darin, Generationsunterschiede zu akzeptieren und eher den Fokus darauf zu legen, wie man Ideen, Wünsche und Denkweisen beider Seiten in den Einklang bringen kann. Eine gute Begleitung der Schülerinnen und Schüler ist wichtig, denn sie sind die potentiellen neuen Kolleginnen und Kollegen. Das A und O ist jedoch ein gutes Miteinander. Das kann natürlich bestärkt werden durch gemeinsame Aktivitäten wie Ausflüge oder sich nach Feierabend nochmal zu treffen. Noch wichtiger aber ist, immer ein offenes Ohr für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben. So haben wir zum Beispiel Sprechzeiten im Büro eingeführt, was als sehr wertschätzend empfunden wird.