Warum ist der Wandel in diese Richtung so schwer?
Christine Vogler: Es passiert zum Glück einiges, weil eben die jungen Menschen neue Bedingungen einfordern, damit die Arbeit morgen auch noch gemacht wird. Aber gleichzeitig haben wir in der Pflege ein Paradox: Da ist zwar eine riesige Wertschätzung. Die Gesellschaft weiß ganz genau, wie wertvoll Pflege ist, auch für die Demokratie als soziales Bindeglied. Aber auf der anderen Seite bekommen wir diese Wertschätzung eben nicht so einfach in Gesetze gegossen. Weil wir kein Produktbetrieb sind und nichts erwirtschaften.
Sandra Postel: Dann sind wir doch wieder bei dem Frauendiskurs. Denn aus der Politik kommt oft noch ein Bild des Pflegeberufs, welches nicht von der Laienpflege unterschieden wird. Man findet eher noch die Einstellung, dass ‚jeder pflegen kann‘ und dass ‚samariterhafte Aufopferung‘ vorliegt. Und da Gesetze von Politikern und Politikerinnen gemacht werden, ist deren Einstellung strukturell auffindbar. Da passt dann vieles nicht zu einem modernen Professionsverständnis. Wir müssen dieses ‚ordnungsrechtliche Patriarchat‘ durchbrechen.
Christine Vogler: Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an, und um das zu erreichen, müssen wir die Kompetenz von Pflegefachpersonen stärken, so wie es im Pflegekompetenzgesetz vorgesehen ist. Uns geht es schlichtweg darum, dass wir als Pflegende jeden Tag am Pflegebedürftigen sind und selbstständig verantworten wollen, was wir tun. Das ist dann auch eine Zukunftsfrage: Lasst uns effizient sein, indem wir vor Ort handeln, entscheiden und Verantwortung übernehmen.
Lina Gürtler: Eine interprofessionelle Kommunikation auf Augenhöhe würde so viele Prozesse enorm vereinfachen, das ist auch allen jungen Ärztinnen und Ärzten längst klar. Da herrscht ein gleiches Verständnis. Nur der Alltag ist genau das Gegenteil, weil uns komplizierte Prozesse die Ressourcen klauen.
Christine Vogler: Das ist auch der Kern. Wir dürfen nicht um uns selbst kreisen, sondern uns fragen, wie wir die Versorgung von morgen schaffen wollen. Und das können wir nur, indem wir mit unserer Kompetenz unmittelbar handeln können.
Sandra Postel: Wir müssen raus aus dem Verborgenen, den systemischen Teufelskreis durchbrechen und entschlossen handeln. Inklusive der Compliance und den Regeln der Wirtschaftlichkeit, sodass wir sauber Verantwortung übernehmen können.