Von der Registrierung bis zum Einsatz: Dinah Reitz erzählt ihre Geschichte von der Bereitschaft, Pflegeeinrichtungen bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zu unterstützen.
Mein Name ist Dinah Reitz und ich bin Jahrgang 1984.
Meine Ausbildung zur Altenpflegerin habe ich im Jahr 2005 in Solingen (NRW) abgeschlossen und anschließend noch eine Ausbildung zur Rettungssantitäterin absolviert.
In den darauffolgenden Jahren habe ich in den unterschiedlichsten Bereichen im Gesundheitswesen mein Fachwissen in der Praxis kontinuierlich erweitert und direkt vor Ort angewendet. Mein beruflicher Weg führte mich von der ambulanten Pflege in die stationären Pflege, in die Akutpflege einer Universitätsklinik, zu einer Festanstellung auf der HNO Onkologie und zuletzt in die außerklinische Intensivpflege/Heimbeatmung.
Man könnte sagen, dass ich außer in der Kinderpflege so ziemlich in jedem Bereich der pflegerischen Versorgung von Erwachsenen meine Erfahrungen gesammelt und mein Portfolio erweitert habe.
Den Versorgungsbereich der Kinderpflege habe ich durch die Geburt meiner Kinder auf der familiären Ebene erweitert und aktuell nimmt das Familienmanagement meiner fünf Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren einen großen Teil meines Alltags in Anspruch. Als ein sehr offener und kommunikativer Mensch engagiere ich mich neben Familie und Beruf im Sportverein (Handball) und trainiere eine weibliche Jugendmannschaft, bin Jugendleiterin und aktiv im kirchlichen Gemeindeleben eingebunden.
Mein beruflich fachlicher Schwerpunkt liegt zur Zeit in meinem Studium der Sozialen Arbeit (5. Semester). Bei Abschluss des Studiums möchte ich beruflich in den Arbeitsbereich Gesundheit und Soziales im Schwerpunkt Beratung und Organisation, zum Beispiel in einem Pflegestützpunkt, Streetwork oder in einer entsprechende Beratungsstelle einsteigen. Wie zum Beispiel in der hier durch die AWO Ulm enstandenen Einrichtung für den Sozialraum in der Weststadt Ulm.
Um den Beruf Pflege zu erlernen, gehört neben dem theroretischen und praktischen Fachwissen auch eine Haltung, die früher als Berufung bezeichnet wurde. Die ist meiner Meinung nach sehr wichtig, um den Beruf professionell ausüben zu können. Diese, nennen wir sie die pflegerische Verantwortung, legt man nicht ab, nur weil man zur Zeit nicht aktiv in diesem Arbeitsbereich arbeitet. Sie ist da und in Krisensituation wie der Corona-Pandemie kommt sie ganz von allein an die Oberfläche. Ich wusste, ich möchte helfen, unterstützen, mit den fachlichen Fähigkeiten, die ich erlernt habe. Das sehe ich als meine persönliche, aber auch fachliche Verantwortung, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten einzubringen.
Aus meiner ganz persönlichen Motivation heraus habe ich mich im April 2020, während der ersten Corona-Welle, über die digitalen Medien informiert, welche Möglichkeiten es gibt mein fachliches Erfahrungswissen zur Verfügung zu stellen – im Rahmen meiner zeitlich und persönlichen Ressourcen. Über das Internetportal des Sozialministerium Baden-Württemberg bin ich auf die #pflegereserve-Plattform gestoßen und habe mich dort registiert.
Nachdem ich auf die #pflegereserve-Plattform auf der Internetseite des Sozialministeriums im April 2020 aufmerksam geworden war, habe ich mich auch direkt registriert. Die Registrierung durch Eingabe meiner E-Mail- Adresse war zunächst sehr unkompliziert. Allerdings war es für mich erst einmal irritierend, dass man kein Passwort für seinen persönlichen Profil-Zugang vergibt bzw. erhält.
Nach der Registrierung über meine E-Mail-Adresse und erneuter Eingabe meiner E-Mail-Adresse habe ich einen automatischen Log-in-Link erhalten und konnte direkt mein Reservisten-Profil ausfüllen.
Was mir gut gefallen hat, ist, dass ich im Bereich Verfügbarkeit genau eingeben kann, was ich an zeitlichen Ressourcen und räumlichen Möglichkeiten anbieten kann, um nur die für mich passenden Anfragen zu erhalten.
Die #pflegereserve-Palttform versendet automatisch passende Anfragen an meine E-Mail-Adresse und ich kann dann unter meinem Pflegereserve-Profil nähere Informationen zu der Versorgungseinrichtung und Anfrage anschauen. Leider sind die Informationsmails der #pflegereserve bei mit zunächst immer im Spam-Ordner gelandet, sodass ich erst sehr spät gesehen habe, dass ich Anfragen erhalten habe. So kam mein erster Reservisteneinsatz erst in der zweiten Welle zustande.
Anfang Januar 2021 erhielt ich das Anfrage-Profil des Seniorenzentrums der AWO Ulm Weststadt über die #pflegereserve-Plattform, die eine Anfrage zur Unterstützung für die Durchführung von PoC-Antigen-Testungen von Mitarbeitern und Besuchern durch Pflegefachpersonen suchten. Das Seniorenzentrum der AWO Ulm Weststadt kannte ich bis dahin nur von außen auf meinen täglichen Wegen durch Ulm. Aufgrund meiner Erfahrungen und der örtlichen Nähe und den frei zu wählenden Einsatzzeiten, habe ich mich direkt entschlossen, mich telefonisch mit dem Seniorenzentrum der AWO Weststadt in Verbindung zu setzten. Nach dem ersten telefonischen Kontakt mit der Einrichtungsleitung, Herrn Ulrich Rommel, haben wir zeitnah einen Termin in der Einrichtung zum persönlichen Kennenlernen und für die organisatorischen Absprachen vereinbart. Während dieses Termins wurden die Rahmenbedingungen des Tätigkeitsbereiches, des zeitlichen Einsatzvolumens und die Vergütung für meinen Einsatz als Pflege-Reservisten besprochen und vereinbart.
Entsprechend der Anfrage über die #pflegereserve-Plattform und der Einsatzvereinbarung, führe ich in der Einrichtung PoC-Antigen-Testungen bei Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern durch.
Vor meinem ersten Einsatz habe ich zum einen eine entsprechende Unterweisung zur Durchführung des PoC-Antigen-Testung per Online-Schulung und praktischer Durchführung durch einen Fachkollegen der Einrichtung erhalten und zum anderen eine Einweisung entsprechend dem Medizinproduktegesetz zur Anwendung des eingesetzten PoC-Antigen-Testsystems.
Mein Test-Einsatz-Arbeitsbereich ist direkt in der Eingangshalle des Seniorenzentrum, wo jeweils zwei Test-Plätze eingerichtet sind.
Hier führe ich die PoC-Antigen-Testungen durch und im Wartebereich warten die getesteten Personen, bis das Testergebnis nach 15 Minuten vorliegt. Die persönliche Schutzausrüstung wird mir von der Einrichtung zur Verfügung gestellt.
Aktuell gesetzlich vorgeschrieben, müssen alle 97 Mitarbeiter der Einrichtung, dreimal in der Woche und jeder externe Besucher, der die Einrichtung betritt, getestet werden. Bewohner werden nur noch risikoadaptiert durch die Fachkräfte der Einrichtung getestet.
Zurzeit müssen ca. 400 PoC-Antigen-Testung pro Woche in der Einrichtung im stationären Bereich durchgeführt werden, dies muss zusätzlich durch die Einrichtung personell gestemmt werden, was realistisch nicht möglich ist, ohne die Versorgung der Bewohner massiv einzuschränken.
Seit Januar 2021 bin ich nun zweimal in der Woche von 9:00 bis 15:00 Uhr im Test-Einsatz und kann die Einrichtung durch meinen Einsatz aktiv praktisch unterstützen. Als externe Testerin an meinem Test-Arbeitsplatz erlebe ich Freundlichkeit und Respekt von den Menschen, die ich teste. Es ist für alle eine Herausforderung, dreimal in der Woche diesen Test durchführen lassen zu müssen. Ich denke, ich habe einen gewissen Vorteil, dass ich keine direkte Kollegin bin, sondern die „Testfrau“. Wenn ich um die Ecke komme, wissen die Mitarbeiter schon, was los ist. Ebenso kennen mich schon viele Besucher. Ich führe kurze Gespräche und versuche den Test, so angenehm wie möglich durchzuführen. Das ist, trotz der Tatsache, dass die Tests unangenehm sind, ein gutes Arbeitsklima.
Im Februar wurde ich durch zwei Soldaten für drei Wochen im meinem Test-Zentrum unterstützt und es war eine erstaunliche Beobachtung, was die Uniform automatisch bei Mitarbeitern, aber vor allem auch bei Besuchern bewirkt hat. Es wurde weit weniger über die Notwendigkeit der Testung diskutiert, als wenn Mitarbeiter der Einrichtung die Testung durchführten.
Ich habe schon einmal früher in einer stationären Langzeitpflegeeinrichtung gearbeitet, der Arbeitsbereich ist mir nicht fremd, aber es hat sich doch viel geändert seit damals. Ich selbst habe eine klare Vorstellung, wo es beruflich hin geht. Durch mein Studium möchte ich in den Bereich Beratung und/oder Organisation gehen.
Ob ich mir vorstellen könnte als Fachkraft wieder an das Bett beziehungsweise in die direkte Pflege zurückzukehren? Ich denke eher nein. Die Rahmenbedingungen haben sich in allen Bereichen verändert, weder zugunsten der pflegebedürftigen Menschen noch der Pflegemitarbeiter. Unser pflegefachliches Verständnis und was da erwartet beziehungsweise gefordert wird und die finanziellen Rahmenbedingungen – das passt einfach nicht zusammen.
Wir haben im vergangenen Jahr viel gelernt, vor allem, dass nichts planbar ist und keiner weiß, wie es weiter geht und vor allem wie lange es dauern wird. Ich sehe, dass der Einsatz als Pflege-Reservistin aktuell sicher weiter noch erforderlich ist, vermutlich noch das ganze Jahr. Auch wenn wir mit den Lockerungen, in welcher Form auch immer, langsam beginnen können, braucht vor allem das Gesundheitswesen nach diesem Jahr eine Pause, in der sich die Mitarbeiter erholen können. Dies ist nur möglich, wenn Ersatzpersonen die Arbeit zeitweise für die Erholungsphasen übernehmen. Die Auswirkungen dieser Dauerbelastung werden nach der Pandemie weit größere personelle Probleme hervorbringen, als während der gesamten Pandemie, wo Durchhalten und Anpacken die Motivation war.
Pflegereservist als Zukunftsoption: als Dauerreservist nein, aber wenn ein Einsatz in einer nächsten Krisensituation wieder erforderlich ist, würde ich wieder ja sagen.
Meine Familienplanung beziehungsweise Familiengründung hat zunächst schrittweise dazu geführt, dass ich aus dem aktiven Pflegeberufsleben ausgeschieden bin. Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familie ist schon eine enorme Herausforderung. Durch mein Studium habe ich mich weiterentwickelt, bleibe zwar grundsätzlich in meiner fachlichen Profession, aber in einem anderen Einsatzbereich.
In der direkten Pflege vor Ort sehe ich für mich zurzeit aktuell keine Zukunft, die Rahmenbedingungen und meine Vorstellungen passen nicht zusammen.