Illustration zum Einsatz von Psychopharmaka in der Pflege von an Demenz erkrankten Menschen

Menschen mit einer Demenzerkrankung leiden meist nicht nur an Gedächtnisstörungen, Sinnestäuschungen oder Wortfindungsstörungen. Oft treten veränderte und herausfordernde Verhaltensweisen wie Unruhe, Schlafstörungen aber auch aggressive Reaktionen auf oder es werden unerfüllte Bedürfnisse zum Ausdruck gebracht. Das ist nicht nur für sie selbst belastend, sondern fordert auch die Menschen heraus, die sich kümmern, die in der Betreuung oder Pflege sind. Herausfordernde Verhaltensweisen können unter bestimmten Umständen auch zu körperlichen Gefährdungen führen.  

Oftmals erfolgt in Pflegeeinrichtungen der Griff zu beruhigenden Medikamenten, die die Symptome rasch lindern und zunächst zu einer Entlastung aller Beteiligten führt, was in dem Moment richtig und sinnvoll ist. Als langfristige Lösung sind Antipsychotika aber in der Regel nicht geeignet, da sie unter anderem mit Risiken wie einer erhöhten Schlaganfallgefährdung einhergehen. Vielmehr sollte überprüft werden, ob die Verhaltenssymptome anderweitig behandelt werden können. 

„Wir erleben oft, dass in den Pflegeeinrichtungen der Einsatz der sedierenden Medikamente nicht mehr hinterfragt und als Normalität angesehen wird. Sie werden dann nur sehr selten auch wieder abgesetzt“, sagt Dr. Sandra Kohl, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar und Projektleiterin des DECIDE-Projektes. DECIDE steht dabei für „ReDuktion sEdierender PsyChopharmka bei HeImbewohnerInnen mit fortgeschrittener DEmenz“ und wird als Teil der Bayerischen Demenzstrategie vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Verschreibungshäufigkeit von sedierenden Psychopharmaka bei Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen nachhaltig zu reduzieren, indem es alle am Pflegeprozess beteiligten Akteurinnen und Akteure sensibilisiert und informiert. „Angesichts der Nebenwirkungen, die mit Antipsychotika einhergehen, kann dies maßgeblich zur Steigerung der Lebensqualität von Demenzerkrankten beitragen. Das sollte das gemeinsame Ziel sein“, betont Sarah Kohl. 

Seit 2021 werden dazu insgesamt 60 bayerische Pflegeeinrichtungen und WGs für Menschen mit Demenz rekrutiert. „Wir besuchen die Einrichtungen, schauen uns den Ist-Zustand der Verschreibungen an und schulen die Pflegekräfte hinsichtlich einer möglichen Reduktion der Medikamente“, berichtet Sarah Kohl. Das setze ein gewisses Problembewusstsein voraus, das sie aber bei den meisten Akteurinnen und Akteuren wahrnehme. „Wir schauen uns konkrete Einzelfälle an und prüfen, ob eine Reduktion der Medikamente bis hin zu einem Ausschleichen möglich sind. Zudem analysieren wir mit Unterstützung durch eine Apothekerin die Wechselwirkungen zwischen der somatischen und psychiatrischen Medikation. Diese Empfehlungen werden schriftlich festgehalten und anschließend den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung gestellt.“  

Es gibt auch bereits konkrete Expertenempfehlungen zur Gabe von Antipsychotika bei Demenzerkrankten, die auch in die Arbeit des DECIDE-Projektes einfließen:  

  • Die Dosierung und Einsatz der Antipsychotika sollten möglichst gering bzw. kurz erfolgen.  

  • Haben sich die Verhaltenssymptome über einen bestimmten Zeitraum – bspw. drei Monate – anhaltend gebessert, sollten die Medikamente reduziert werden. 

  • Monatlich sollte von ärztlicher und pflegerischer Seite unter Einbezug der Angehörigen geprüft werden, ob ein Ausschleichen der Antipsychotika möglich ist.   

  • Die Dosisreduktion sollte schrittweise erfolgen.  

  • Während des Ausschleichens sollte eine engmaschige Verlaufskontrolle erfolgen, bei der die Beobachtungen des Pflegepersonals einfließen.   

  • Während des Ausschleichens kann das Ansetzen einer Bedarfsmedikation hilfreich sein. 

  • Bei Wiederauftreten der Symptome sollte zunächst eine Ursachenabklärung erfolgen. Falls nötig, sollte das Antipsychotikum in der Dosis wieder angesetzt werden, die vor dem Wiederauftreten der Symptome bestand.  

Langfristiges Ziel des DECIDE-Projektes ist es, die Ergebnisse im Rahmen von Fortbildungen zu verstetigen und in die pflegerischen Strukturen einfließen zu lassen. Nach einem Jahr werden die am Projekt beteiligten Einrichtungen durch das DECIDE-Team erneut besucht, um festzustellen, ob sich durch die Teilnahme an dem Projekt etwas an der Verschreibungsrate geändert hat. Aber Sarah Kohl betont auch: „Natürlich stehen wir den Einrichtungen auch in der Zwischenzeit als Ansprechpartner zur Verfügung.“ 

Mehr Infos zum Projekt gibt es hier: www.decide.bayern 

Weitere Informationen zum Thema Demenz und Pflege finden Sie auch beim BMG unter:  

www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/engagement-fuer-menschen-mit-demenz-weiter-staerken.html 

www.nationale-demenzstrategie.de 

www.wegweiser-demenz.de 

 

Menschen mit Demenz pflegen mit möglichst geringem Einsatz sedierender Psychopharmaka (DECIDE-Projekt)

Im Praxisdialog am 2. Februar um 11.00 Uhr stellt Dr. Sarah Kohl das Projekt DECIDE näher vor und gibt konkreten Handlungsempfehlungen zum Einsatz von Antipsychotika in der Pflege von Demenzerkrankten. Tauschen Sie sich aus! 

Pflegequalität