Der verantwortungsvolle Umgang mit Psychopharmaka bei Menschen mit Demenz ist in der Pflegepraxis eine Herausforderung. Durch das Projekt DECIDE in Bayern sollte erreicht werden, die Verschreibungshäufigkeit von Psychopharmaka in Pflegeeinrichtungen nachhaltig zu reduzieren.
Menschen mit einer Demenzerkrankung leiden meist nicht nur an Gedächtnisstörungen, Orientierungsstörungen oder Wortfindungsstörungen. Oft treten veränderte und herausfordernde Verhaltensweisen wie Unruhe, Schlafstörungen aber auch aggressive Reaktionen auf oder es werden unerfüllte Bedürfnisse zum Ausdruck gebracht. Das ist nicht nur für die Menschen mit Demenz selbst belastend, sondern fordert auch diejenigen , die sich kümmern, die in der Betreuung oder Pflege sind. Ausgeprägte Verhaltenssymptome können unter bestimmten Umständen auch zu körperlichen Gefährdungen führen.
Oftmals erfolgt in Pflegeeinrichtungen der Griff zu beruhigenden Medikamenten, die die Symptome rasch lindern und zunächst zu einer Entlastung aller Beteiligten führt, was in dem Moment richtig und sinnvoll ist. Als langfristige Lösung sind Antipsychotika aber in der Regel nicht geeignet, da sie unter anderem mit Risiken wie einer erhöhten Schlaganfallgefährdung einhergehen. Vielmehr sollte überprüft werden, ob die Verhaltenssymptome anderweitig behandelt werden können.
„Wir erleben oft, dass in den Pflegeeinrichtungen der Einsatz der sedierenden Medikamente nicht mehr hinterfragt und als Normalität angesehen wird. Sie werden dann nur sehr selten auch wieder abgesetzt“, sagt Professor Dr. Janine Diehl-Schmid, Chefärztin am Zentrum für Altersmedizin des Inn-Salzach-Klinikums Wasserburg und Initiatorin des DECIDE-Projekts.
DECIDE steht für „ReDuktion sEdierender PsyChopharmka bei HeImbewohnerInnen mit fortgeschrittener DEmenz“ und wurde als Teil der Bayerischen Demenzstrategie vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Verschreibungshäufigkeit von sedierenden Psychopharmaka bei Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen nachhaltig zu reduzieren, indem es alle am Pflegeprozess beteiligten Akteurinnen und Akteure sensibilisiert und informiert. „Angesichts der Nebenwirkungen, die mit Antipsychotika einhergehen, kann dies maßgeblich zur Steigerung der Lebensqualität von Demenzerkrankten beitragen. Das sollte das gemeinsame Ziel sein“, betont Janine Diehl-Schmid.
Seit 2021 nahmen dazu insgesamt 60 bayerische Pflegeeinrichtungen und WGs für Menschen mit Demenz teil. „Wir besuchten die Einrichtungen, dokumentierten den Ist-Zustand der Verschreibungen an und führten Schulungen für die Pflegekräfte durch, um für eine mögliche Reduktion der sedierenden Medikamente zu sensibilisieren“, berichtet Janine Diehl-Schmid. Das setze ein gewisses Problembewusstsein voraus, das sie aber bei den meisten Akteurinnen und Akteuren wahrnehme. „Wir haben uns dann konkrete Einzelfälle angesehen und geprüft, ob eine Reduktion der Medikamente bis hin zu einem Ausschleichen möglich sind. Zudem wurden mit Unterstützung durch eine Apothekerin die Wechselwirkungen zwischen der somatischen und psychiatrischen Medikation analysiert. Die Empfehlungen zur Medikations-Reduktion bzw. zur Beachtung etwaiger Wechselwirkungen wurden schriftlich festgehalten und anschließend den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung gestellt.“
Es gibt auch bereits konkrete Expertenempfehlungen zur Gabe von Antipsychotika bei Menschen mit Demenz, die auch in die Arbeit des DECIDE-Projektes einflossen:
Mehr Infos zum Projekt gibt es hier: www.decide.med.tum.de
Prof. Dr. Janine Diehl-Schmid, Chefärztin am Zentrum für Altersmedizin des Inn-Salzach-Klinikums Wasserburg, gab im Praxisdialog am 17. September 2024 Handlungsempfehlungen nach dem DECIDE-Projekt.