Klimaschutz und nachhaltiges Handeln – diese Themen betrifft auch die Pflegebranche. Welche Maßnahmen aktuell umgesetzt werden und wo Chancen sowie Herausforderungen bestehen, das hat die Stiftung viamedica im BMG-Auftrag in einem Gutachten als Bestandsaufnahme zur Gesundheitsbranche zusammengefasst. Nun liegt der Abschlussbericht vor – mit Beispielen aus Pflegeeinrichtungen.
Klimaschutz und Ressourceneffizienz sind Herausforderungen, denen sich auch der Gesundheitssektor stellen muss. Die Branche ist mit einem Anteil von 13,1 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, einer Bruttowertschöpfung von 441 Milliarden Euro in 2021 und circa 7,4 Millionen Beschäftigten einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren in Deutschland. Der Gesundheitssektor hat dadurch einen markanten ökologischen Fußabdruck zu verantworten und steht mit circa 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten für circa 5,2 Prozent der gesamten Emissionen Deutschlands. Den Ressourcenverbrauch des Sektors im engeren Sinn – vom Krankenhaus bis zur ambulanten Praxis – beziffert eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts von 2021 auf circa 107 Millionen Tonnen und damit auf 5 Prozent des Gesamtrohstoffkonsums in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund hat das BMG das Gutachten "Ressourceneffizienz, Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen - eine Bestandsaufnahme" in Auftrag gegeben und finanziell gefördert. Über 15 Bereiche des Gesundheitswesens gibt es einen aktuellen Überblick der Nachhaltigkeitsaktivitäten in der Branche (Stand 2022), der auch Impulse zum Handeln geben soll. Es werden sowohl Chancen und Herausforderungen aufgezeigt, Vorhaben mit Modellcharakter präsentiert und konkrete Handlungsempfehlungen gegeben.
Was sagt das Gutachten über den Pflegebereich?
Mit Blick auf die Pflege werden im Gutachten unter anderem die Aktivitäten bei stationären Pflegeeinrichtungen (hier geht’s zum PDF) sowie bei ambulanten Pflegeeinrichtungen (hier geht’s zum PDF) zusammengefasst. Demnach bestehen die Chancen bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zum einen bei der Einsparung von Ressourcen und Energie und einer damit verbundenen Kostenreduktion. Zum anderen können insbesondere ambulante Einrichtungen, die Klimaschutzmaßnahmen realisieren, von einem Imagegewinn profitieren – denn auch Bewerberinnen und Bewerber fragen zunehmend nach dem ökologischen Engagement ihrer potenziellen Arbeitgebenden.
Beispielhafte Einrichtungen zeigen, wie es gehen kann
Dass sich aktiver Klimaschutz lohnt und Zertifizierungen machbar sind, zeigt laut Gutachten unter anderem die stationäre BruderhausDiakonie - Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg. Sie kann in allen elf Regionen, in denen sie aktiv ist, eine EMAS-Zertifzierung vorweisen. Ebenso engagiert sei die „Dienste für Menschen gGmbH“ mit Sitz in Esslingen am Neckar, deren 22 Einrichtungen mit EMASplus ausgezeichnet sind. Ein weiteres gutes
Beispiel ist der dezentral organisierte AWO-Bundesverband, der im März 2022 ein umfassendes Maßnahmenpaket geschnürt hat und noch vor 2040 mit allen Einrichtungen und Diensten klimaneutral werden möchte. Mit dem Projekt „Klimafreundlich Pflegen“ unterstützt die AWO ihre Einrichtungen dabei, Klimaneutralität zu erreichen. Auch der Caritas-Verband Paderborn wurde als Vorbild genannt, da hier mit großer Eigeninitiative die gesamte Fahrzeugflotte auf E-Autos und E-Bikes umgestellt wurde.
Empfehlung: Nachhaltigkeit langfristig auf Leitungsebene verankern
Eine zentrale Empfehlung der Autoren lautet: die Themen ökologische Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz sollten direkt in der Geschäftsführung/Leitung verankert sein. Denn: „Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen muss als dauerhafter und kontinuierlicher Prozess in Management- und Leitungsebenen eingebunden sein“, heißt es zusammenfassend im Bericht. Für größere Einheiten wird eine hauptamtliche Nachhaltigkeitsmanagerin oder -manager empfohlen, die oder der mithilft, Umweltmanagementsysteme wie ISO 14001 und EMAS zu implementieren.
Bei der Umsetzung der Maßnahmen sollte zudem mit einfachen und schnell wirksamen Aktionen begonnen werden. Das könnte zum Beispiel eine Umstellung auf LED-Beleuchtung, der Bezug von Ökostrom oder die Reduktion der Wärme in den Arbeitsräumen sein. Darüber hinaus empfiehlt das Gutachten, dass klare regulatorische Rahmenbedingungen für klimafreundliches Pflegen aufgestellt werden. Beratungen, Handreichungen und Checklisten zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen seien in diesem Zusammenhang wichtige Hilfsmittel für die Umsetzung von Maßnahmen – insbesondere in ambulanten Pflegediensten. Als wichtiger Faktor mit Blick auf Nachhaltigkeitseffekte wird zudem die Digitalisierung in der Pflegedokumentation gesehen.
„Die Grundvoraussetzungen, sich als eine Pflegeeinrichtung mit Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und sie im Arbeitsprozess zu verankern, sind sehr unterschiedlich“, erklärt Markus Loh, Projektleiter bei der viamedica Stiftung. Eine kleine Pflegeeinrichtung mit nur wenigen Betten habe natürlich wesentlich weniger finanzielle oder personelle Ressourcen als eine Pflegeeinrichtung, die einem großen Träger angeschlossen sei und Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf allen Ebenen umsetzen könne. Generell lasse sich jedoch feststellen, dass die Handlungsmöglichkeiten auch im Bereich der Pflege sehr groß sind. „Die unterschiedlichen Maßnahmen, die wir recherchieren konnten, reichen zum Beispiel von der energetischen Gebäudesanierung, der Förderung von eMobilität, den Einsatz von Wärmepumpen über das Abfallmanagement bis zur Regenwasseraufbereitung“, so Markus Loh.
Den vollständigen Abschlussbericht des Projekts finden Sie hier.