Um Notfalleinweisungen aus Pflegeheimen unter Berücksichtigung der Rolle und Bedeutung der professionell Pflegenden zu analysieren, wurde 2020 das Projekt „Notfalleinweisungen Minimieren“ (NoMi) initiiert, durch die GKV gefördert und von der HAW Hamburg umgesetzt. Kooperationspartner im Projekt waren die Techniker Krankenkasse und die Pflege & Wohnen GmbH. „Unser Ziel war es, durch die erhobenen Daten ein besseres Verständnis für die sich kumulierenden Probleme zu bekommen“, erklärt Prof. Susanne Busch, Professorin für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik an der HAW und Projektleiterin von NoMi.

Was die Analyse gezeigt hat: Öfter als gleichaltrige Menschen, die noch in eigener Häuslichkeit leben, werden Pflegeheimbewohnende per Notfalleinweisung in Krankenhäuser gebracht und dort behandelt. Häufige Gründe hierfür sind den Experten und Expertinnen zufolge Herzkreislauferkrankungen, Lungenerkrankungen, Harnwegsinfektionen, Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus, Dehydration, Sturzereignisse sowie Veränderungen der Bewusstseinslage. Eine wichtige Erkenntnis: Notfalleinweisungen sind in vielen Fällen nicht notwendig. Schätzungen gehen davon aus, dass in bis zu 67 Prozent der Fälle keine Einweisung in ein Krankenhaus nötig ist. Zudem können sich Klinikeinweisungen negativ auf den Gesundheitszustand der betroffenen Menschen auswirken, z.B. durch das vermehrte Auftreten funktionaler und kognitiver Einbußen sowie Einschränkungen in der Mobilität. Das wiederum erschwert oft die Rückkehr in das gewohnte Setting und bedeutet für viele Pflegeheime anschließend einen erheblichen Mehraufwand in der Pflege und Betreuung, der hätte vermieden werden können.

„Mit Hilfe eines multimodalen Ansatzes konnten wir zeigen, dass sich grundsätzlich ein großes Potenzial bietet, Krankenhauseinweisungen aus Pflegeheimen zu reduzieren. Es gibt Hinweise darauf, dass die Versorgung von Bewohnenden in vielen Fällen innerhalb der Pflegeeinrichtung durch die Pflegefachkräfte erfolgen könnte“, so Gesundheitsökonomin Susanne Busch.

Pflegekräfte sollten kritischer die Notwendigkeit von Krankenhauseinweisungen hinterfragen und ihrer eigenen Fachlichkeit vertrauen. Kompetentes und lösungsorientiertes Handeln in Akutsituationen ist eng mit der Frage verknüpft, welche Befugnisse die Pflegekräfte rechtlich und tatsächlich haben bzw. für sich selbst in Anspruch nehmen. Hinzu kommen Bedingungen im Handlungsalltag, in der beruflichen Sozialisation, im gelebten Leitbild des Hauses und weiteres mehr.

Susanne Busch: „Um an diesem Punkt anzusetzen, müsste ein Konzept entwickelt werden, das Pflegekräfte sowohl in ihrem professionellen Selbstverständnis als auch in ihrer fachlichen Kompetenz stärkt und sie dadurch befähigt, in einer Notfallsituation zu entscheiden.“ Voraussetzung dafür sei außerdem die Wahrnehmung dieser Verantwortung und das Vorhandensein des notwendigen Skillsets – möglichst in Verbindung mit der Chance, Rücksprache mit Fachkundigen zu halten bzw. in den Austausch mit diesen zu gehen.

Eine Empfehlung aus dem Projekt: Die Festigung und Erweiterung fachlicher Kompetenzen könnte zum Beispiel über Schulungen erfolgen, die thematisch so orientiert sind, dass das vermittelte Wissen bestmöglich zur Vermeidung von unnötigen Krankenhauszuweisungen beiträgt. Ein Behandlungszimmer mit einer entsprechenden Ausstattung innerhalb der Pflegeeinrichtung könnte medizinisch-pflegerische Eingriffe unter sterilen Bedingungen durch die Pflegekräfte vor Ort ermöglichen. Auch die Einrichtung eines Notfallpflegeteams könnte in diesem Kontext sinnvoll sein.

„Wir konnten im Abschlussbericht von NoMi darstellen, dass eine gezielte Koordination von Gesundheitsdienstleistungen, die Nutzung innovativer Technologien und die Förderung einer präventiven Denkweise die Belastung des Gesundheitssystems reduziert und die Lebensqualität älterer Menschen verbessern kann.“, so Susanne Busch.

Hier gibt es den Abschlussbericht zum Nachlesen: PDF-Download

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