Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen stellt Einrichtungen wie Kliniken oder Pflegeheime vor große Herausforderungen. Daher werden verstärkt ausländische Fachkräfte angeworben. Sind die neuen Mitarbeitenden dann da, besteht eine zentrale Aufgabe darin, sie aktiv in den Gesundheitsberuf und die Einrichtung zu integrieren. Wie das betriebliche Integrationsmanagement gelingen kann, erprobt das Modellprojekt INGE.
Wie Integration gut gelingen kann, dazu gibt es im Projekt INGE bereits einige Erfahrung. INGE steht für „INtegration und Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen“ und ist ein noch bis Ende 2023 laufendes Modellprojekt von saaris e.V. – saarland.innovation&standort e. V., das sich zum Ziel gesetzt hat, die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland zu unterstützen. Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit wird in Zusammenarbeit mit kooperierenden Einrichtungen wie z.B. Kranken- und Pflegeeinrichtungen, Berufsschulen, wissenschaftlichen Instituten und Sprachkursanbietern eine Vielzahl von Integrationsinstrumenten entwickelt, um Menschen mit Zuwanderungsgeschichte erfolgreich in einen Gesundheitsberuf zu integrieren. Die Integration wird dabei sowohl beruflich als auch sprachlich und soziokulturell verstanden. Im Fokus stehen möglichst niedrigschwellige Zugangswege, zielgruppenspezifische Vorbereitungsmaßnahmen und ein intensives Betreuungskonzept. Zentrale Instrumente werden laufend über ein Online-Praxishandbuch zugänglich gemacht.
Im Rahmen des Projekts hat Prof. Dr. Volker Hielscher, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des Saarbrücker Instituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso) e.V., mit seinem Team und zwei Kooperationskliniken Praxismodule entwickelt, die ihren Fokus auf das Betriebliche Integrationsmanagement legen. Im Interview berichtet der Experte, worauf es ankommt:
Was wird unter „Betrieblichem Integrationsmanagement“ verstanden?
Prof. Hielscher: Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in einen Gesundheitsberuf ist ein komplexer Prozess, in dem viele administrative, aber vor allem individuelle Faktoren eine Rolle spielen. Die Menschen, die herkommen, haben oft einen weiten Weg hinter sich. Sie kommen aus verschiedenen Kulturkreisen, haben verschiedene berufliche Abschlüsse und Sprachkenntnisse. Das alles muss berücksichtigt werden. Und natürlich haben sie noch keine enge Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Das heißt, wenn Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt werden, ist die Bereitschaft groß, den Arbeitgeber zu wechseln oder auch ins Heimatland zurückzukehren. Gerade auch vor diesem Hintergrund gibt es gute Gründe, sich systematisch mit guter Integration auseinanderzusetzen, sie als eine betriebliche Gesamtaufgabe zu begreifen und nicht nur auf einzelne Schultern zu verteilen.
Was braucht es für ein gutes Integrationsmanagement?
Prof. Hielscher: Es gibt natürlich nicht die eine Idee, die alle Probleme löst. Verschiedene Maßnahmen und persönliches Engagement sind notwendig. Eine Erkenntnis, die wir jedoch mit unseren Kooperationskliniken erarbeitet haben, ist Folgende: betriebliches Integrationsmanagement ist eine Frage der Organisationsentwicklung, die eine klare Steuerung braucht. Dazu bedarf es zum Beispiel einer internen Steuerungsgruppe, in die das Management und die Verwaltung genauso eingebunden sind wie Stationsleitungen, ärztliche Leitungskräfte oder Vertreterinnen und Vertreter der Teams. Es muss einen klaren Auftrag für die Gruppe geben, und es muss die Bereitschaft da sein, Ressourcen zu schaffen. Wer Konzepte zur Integration entwickelt oder sich im Team um die neuen Kolleginnen oder Kollegen kümmern und sie unterstützen will, der oder die benötigt dann auch die Zeit, das zu tun. Das kann nicht ausschließlich neben der normalen Arbeit umgesetzt werden.
Welche Instrumente gibt es im betrieblichen Integrationsmanagement?
Prof. Hielscher: Natürlich sind zunächst einmal möglichst reibungslose Prozesse nötig – zum Beispiel bei der Berufsanerkennung oder die Unterstützung bei verwaltungstechnischen Dingen wie Konto einrichten, Anmelden oder Ähnlichem. Darüber hinaus bedarf es aber auch einer guten Vorbereitung aller Beteiligten – nicht nur der neuen Mitarbeitenden, sondern auch der bestehenden Teams. Das erleichtert das Miteinander und den Onboardingprozess. Aus der Praxis wissen wir auch, dass sich konkrete Maßnahmen sehr bewährt haben. Dazu zählen zum Beispiel Willkommensmappen, Arbeitshilfen für die Stationsleitungen oder auch ein Patensystem, in dem sich langjährige Mitarbeitende bereit erklären, die neue Kollegin oder den neuen Kollegen persönlich zu unterstützen und so das Ankommen zu erleichtern. Wichtig ist, dass sich die Maßnahmen gut ergänzen und dass sie auch in allen Bereichen der Organisation umgesetzt werden. Zur Unterstützung von Praktikerinnen und Praktikern haben wir viele Maßnahmen in einem Leitfaden zum betrieblichen Integrationsmanagement zusammengestellt.
Mehr Informationen zum Modellprojekt gibt es hier: https://modellprojekt-inge.de
Zum Praxishandbuch des Projektes geht es hier: https://handbuch-inge.de