Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) wurde die Krisenvorsorge für alle zugelassenen Pflegeeinrichtungen in § 113 Abs. 1 SGB XI gesetzlich verankert und 2022 als verbindliche Anforderung zur Qualitätssicherung in Krisensituationen durch den Qualitätsausschuss Pflege vereinbart. In den Maßstäben und Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität (MuG) für die vollstationäre Pflege, die für alle zugelassenen Einrichtungen gelten, heißt es: “Für den Fall akuter Krisensituationen, wie anhaltende Stromausfälle, Brände, Bombenfunde, Unwetter/Naturkatastrophen oder Pandemien, die Einfluss auf die Versorgung haben können, hält der Träger der vollstationären Pflegeeinrichtung in Absprache mit den Gefahrenabwehrbehörden seiner Kommune ein Krisenkonzept vor.“

Katastrophen können jede Einrichtung treffen

Entsprechende Formulierungen finden sich auch in den MuG für die teilstationäre und die ambulante Pflege, denn auch diese Einrichtungen sollten sich auf Krisen vorbereiten. Große Schadensereignisse und Katastrophen wie Hochwasser oder Stromausfälle können jeden Träger treffen. Vergangene Ereignisse haben gezeigt, dass Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste oft nicht ausreichend darauf vorbereitet waren. „Der Katastrophenschutz kann nicht überall gleichzeitig sein, daher müssen Pflegeeinrichtungen Krisenkonzepte für verschiedene Szenarien vorhalten“, erklärte Dr. Heidi Oschmiansky, Referentin für Resilienz beim Deutschen Roten Kreuz, während der BMG-Fachveranstaltung „Lehren aus der Corona-Pandemie und zukünftige Krisenresilienz in der Langzeitpflege“. „Denn auch in Pflegeeinrichtungen muss im Krisenfall die grundlegende Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner aufrechterhalten werden können. Die strukturierte Auseinandersetzung mit diversen Krisensituationen und die anschließende technische, materielle und organisatorische Vorbereitung ist daher unabdingbar“, so Dr. Heidi Oschmiansky weiter.

Handreichungen zur Vorbereitung auf den Krisenfall

Damit stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen und Tagespflegeeinrichtungen zukünftig besser mit Krisensituationen umgehen können, hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) Handreichungen für diese beiden Versorgungsbereiche zur Vorbereitung auf und Bewältigung von Krisen und Katastrophen entwickelt. Daneben steht unterstützendes Praxismaterial wie Checklisten, Notfallpläne und Musteranschreiben zur Verfügung. Die Materialien sind so konzipiert, dass sie auf die Bedarfe der Träger und Einrichtungen vor Ort angepasst werden können und sollten. „Wichtig ist: Das sind nur erste Empfehlungen. Eine Anpassung an individuelle und regionale Gegebenheiten ist unbedingt notwendig“, so Dr. Heidi Oschmiansky.

Die Handreichungen gliedern sich jeweils in vier wesentliche Bereiche:

  • Vorbereitungen auf Großschadenslagen und Katastrophen
  • Krisenstab, Notfallpläne und Mitarbeitende
  • Material und Bevorratung
  • Zusammenarbeit und Vernetzung.

In den Handreichungen wird – im Sinne des All-Gefahren-Ansatzes – vor allem auf zwei Szenarien eingegangen: Größere Stromausfälle und ungeplante Evakuierungen in größeren Schadensereignissen. So sind größere und länger andauernde Stromausfälle in Deutschland zwar nicht sehr wahrscheinlich, auszuschließen sind sie jedoch nicht, wie der Münsterländer Wintersturm 2005 oder der Stromausfall in Berlin 2019 gezeigt haben. Größere Stromausfälle können massive Auswirkungen nach sich ziehen, wie den Ausfall von Festnetz, Handys und Notrufsystemen, von Heizungen, Toiletten und strombetriebenen medizinische Geräte. Insbesondere Menschen, die lebensnotwendig auf solche Geräte, wie z.B. Beatmungsgeräte, angewiesen sind, sind in solchen Situationen stark gefährdet. Auch kann es schnell zu Medikamentenengpässen kommen. Dr. Heidi Oschmiansky: „Diese Kaskadeneffekte sind im Notfall besonders zu beachten und für die Krisenvorbereitung essentiell.“

Lokale Vernetzung vor Ort ist wichtig

Des Weiteren zeigen Erfahrungen, dass Einsatzkräfte aus dem Katastrophenschutz bei Großschadensereignissen, die viele Menschen betreffen, stark in Anspruch genommen werden. Im Evakuierungsfall können sie Pflegeeinrichtungen oft nur begrenzt unterstützen, so dass die Einrichtungen möglicherweise zunächst auf sich gestellt sind. Vor diesem Hintergrund sei eine Vernetzung mit anderen lokalen Akteurinnen und Akteuren – in der Pflege und im Gesundheitswesen, im Katastrophenschutz, mit kommunalen Behörden, aber auch darüber hinaus – sehr wichtig, betont Dr. Heidi Oschmiansky. Zudem sollte das Wissen in den Einrichtungen nicht nur bei einigen wenigen Mitarbeitenden liegen. „Was wir insbesondere herausgearbeitet haben, ist die Information und der Austausch in der gesamten Einrichtung. Es darf bei der Krisenvorbereitung nicht auf einzelnes Expertenwissen ankommen. Alle Mitarbeitenden sollten entsprechend geschult sein“, sagte sie.

In den Handreichungen gibt es Tipps und Hinweise, wie dabei vorgegangen werden kann und worauf zu achten ist:

  • Absprachen mit der Gefahrenabwehrbehörde der Kommune und weiteren Akteurinnen und Akteuren, die im Krisenfall unterstützen können
  • die Benennung des einrichtungsinternen Krisenstabs.

Weiterhin werden Fragen der Bevorratung und des notwendigen Materials bzw. auch der wichtigen aktuellen Dokumente wie Medikationspläne, Pflegeberichte o.ä. aufgegriffen. Den Einrichtungen wird empfohlen, mit den Kommunen und den entsprechenden Behörden zum Thema „Krisenvorbereitung“ ins Gespräch zu kommen. Sie könnten z.B. anregen, dass die Kommune einen „Runden Tisch Krisenvorsorge“ zum Austauschen und Vernetzen initiiert und dazu relevante Akteure aus der Pflege, dem Gesundheitswesen und dem Katastrophenschutz einlädt. Auch verschiedene ortsansässige Pflegeeinrichtungen untereinander sollten sich trägerunabhängig vernetzen und sich über mögliche Kooperationen im Krisenfall austauschen. „Grundsätzlich sollten Krisenkonzepte in das interne Qualitätsmanagement implementiert werden und damit einem regelmäßigen Evaluationsprozess unterliegen, um anstehende Krisen besser zu bewältigen“, resümierte Dr. Heidi Oschmiansky.

Vortrag als Video ansehen

Hier geht es zur Aufzeichnung des Vortrags von Dr. Heidi Oschmiansky, Referentin für Resilienz beim Deutschen Roten Kreuz, während der Fachveranstaltung „Lehren aus der Corona-Pandemie und zukünftige Krisenresilienz in der Langzeitpflege“:

Vortragsfolien als PDF-Datei

Praxisdialog: Krisenvorbereitung in der Langzeitpflege

Dr. Heidi Oschmiansky, Referentin für Resilienz beim Deutschen Roten Kreuz, erläuterte im Praxisdialog am 29. Februar 2024 Details zu den Handreichungen und gab Tipps, wie sich Pflegeeinrichtungen auf Katastrophenfälle und Gefahrensituationen vorbereiten können. Haben Sie den Vortrag verpasst? Dann finden Sie hier die Aufzeichnung und die Präsentation zum Download.

Coronavirus