
Als Pflegende begleiten und versorgen Sie täglich pflegebedürftige Menschen. Die Pflegesicherheit spielt dabei eine zentrale Rolle. Was können Sie tun, wenn ein Fehler passiert – zum Beispiel bei der Verabreichung von Medikamenten? Seit April 2025 bietet die Fachstiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) mit dem neuen Pflege-CIRS ein anonymes, webbasiertes Berichts- und Lernsystem für die Langzeitpflege. Wie das einrichtungsübergreifende Angebot funktioniert, erläutert Daniela Sulmann, Geschäftsleiterin Interventionsentwicklung und Praxistransfer beim ZQP, im Interview.
CIRS steht für „Critical Incident Reporting System“. Darunter werden Berichtssysteme für kritische Ereignisse in sicherheitsrelevanten Arbeitsfeldern wie der Luftfahrt oder dem Gesundheitswesen verstanden. Anfang April 2025 hat die Fachstiftung ZQP das frei zugängliche Pflege-CIRS für die professionelle Langzeitpflege veröffentlicht, ein anonymes, webbasiertes Berichts- und Lernsystem. Wir haben mit Daniela Sulmann, Geschäftsleiterin Interventionsentwicklung und Praxistransfer beim ZQP, dazu gesprochen.
Was ist Ihre Intention, ein Pflege-CIRS anzubieten?
Daniela Sulmann: In erster Linie wollen wir damit eine positive Sicherheitskultur in der professionellen Langzeitpflege fördern, und dazu professionell Pflegende unterstützen sowie stärken. Das heißt, dass wir einen offenen, konstruktiven und lernenden Umgang mit kritischen Ereignissen, wie zum Beispiel Pflegefehlern, voranbringen möchten. Denn dieser Ansatz trägt maßgeblich zur Prävention entsprechender Vorfälle und damit zur Pflegesicherheit bei.
Wieso ist Ihnen das so wichtig?
Weil das Thema Pflegesicherheit – ergänzend zum Thema Patientensicherheit – absolut relevant ist. Das gilt zunehmend auch in Anbetracht der Personalsituation in der Pflege. Gleichzeitig ist es jedoch in der Langzeitpflege in Deutschland noch kaum im Fokus. Wir denken, dass das Pflege-CIRS hier sehr nützlich sein kann. Die wichtigste Botschaft, die wir dabei vermitteln wollen: Überall geht mal etwas schief, so auch in der Pflege. Wichtig ist, daraus zu lernen.
Und was ist das Pflege-CIRS?
Unser Pflege-CIRS ist ein anonymes, einrichtungsübergreifendes, im Web frei zugängliches Berichts- und Lernangebot für die professionelle Langzeitpflege in Deutschland. Zielgruppen sind insbesondere Pflegende, Qualitätsbeauftragte und Leitungspersonen in Pflegeeinrichtungen und ‑diensten.
Wie funktioniert das Pflege-CIRS?
Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter können Sie uns über eine Eingabemaske auf www.pflege-cirs.de einen pflegerelevanten kritischen Vorfall anonym berichten. Wichtig ist mir: Das Pflege-CIRS ist lösungsorientiert und nicht urteilend oder gar maßregelnd ausgerichtet. Vom CIRS-Team wird dann systematisch eine praxisorientierte Empfehlung, im Sinne von Tipps, zu dem berichteten Ereignis erstellt. Diese wird zusammen mit dem Bericht veröffentlicht und ist somit allen Interessierten zugänglich. Hierüber kann sich die Person, die berichtet hat, per E-Mail informieren lassen oder den Bearbeitungsstatus abrufen.
Was ist mit Berichts- und Lernangebot gemeint?
Wir betrachten das Pflege-CIRS als ein Angebot an das Langzeitpflegesystem. Nach und nach kann im Pflege-CIRS ein Wissensschatz aufgebaut werden, der für Maßnahmen im eigenen Arbeitsbereich genutzt werden kann. Ich möchte betonen, dass wir es nicht als „Fehlermeldesystem“ verstehen. Denn es geht uns nicht allein um Fehler und ebenfalls nicht darum, dass etwas „gemeldet“ wird. Vielmehr liegt der Zweck eben darin, kritische Ereignisse konstruktiv-fachlich zu thematisieren. Im Pflege-CIRS stellt das ZQP zudem Praxismaterial zur Schulung und Organisationsentwicklung zur Verfügung.
Was verstehen Sie unter kritischen Ereignissen?
Ein kritisches Ereignis kann – muss aber nicht unbedingt ein Fehler sein. Wir definieren kritische Ereignisse in der professionellen Langzeitpflege als alle Vorkommnisse in Zusammenhang mit der pflegerischen Versorgung, welche das Risiko für einen Gesundheitsschaden bei den versorgten Personen erhöht oder einen Gesundheitsschaden bei diesen verursacht. Solche Risiken sind beispielsweise verbunden mit der Medikation, der Körperpflege, der Wundversorgung, der Mobilisation oder dem Umgang mit Hilfsmitteln. Auch Gewaltvorkommnisse sind hier zu nennen.
Wie wird die Anonymität sichergestellt?
Anonymität ist für die Akzeptanz des Pflege-CIRS besonders wichtig. So kann ohne Sorge vor Konsequenzen berichtet werden. Zum einen stellen wir dies durch technische Maßnahmen sicher, zum Beispiel werden E-Mail-Adressen verschlüsselt. Außerdem: Nutzer und Nutzerinnen werden aufgefordert, keine personen- und einrichtungsbezogenen Daten anzugeben. Falls dennoch, werden diese von uns sofort gelöscht. Wir wollen nicht und können also auch keine entsprechenden Daten an andere Personen oder Institutionen, etwa den Medizinischen Dienst oder Heimaufsichtsbehörden, weitergeben.
Welche Erfahrungen gibt es bereits aus anderen Gesundheitsbereichen mit CIRS?
In Deutschland gibt es verschiedene einrichtungsübergreifende und interne CIRS, etwa von Verbänden oder von kommerziellen Anbietern. Diese sind primär medizinisch ausgerichtet. Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, sich an einem CIRS zu beteiligen. Studien und Erfahrungen zeigen, dass Akzeptanz und Nutzen in der Praxis von mehreren Faktoren abhängen: Es muss anonym, vertrauenswürdig, einfach zu handhaben und hilfreich hinsichtlich der Empfehlungen sein. Eine bereits bestehende positive Sicherheitskultur ist sehr vorteilhaft.
Mit welcher Resonanz rechnen Sie?
Was die Akzeptanz, Nutzung und Verortung im System der Langzeitpflege angeht, sind wir natürlich sehr gespannt. Denn wir schaffen hier ja ein innovatives Angebot. Entsprechend sind wir auf verschiedene Szenarien eingestellt. Wir geben dem Angebot ausreichend Anlaufzeit und werden es fortlaufend anpassen und weiterentwickeln.