Was können Pflegekräfte tun, um Gewalt vorzubeugen und sich selbst zu schützen? Kerstin Stammel, Beteiligte am Projekt zur Gewaltprävention in der Pflege (PEKo), tauschte sich dazu mit Menschen aus dem Pflegenetzwerk aus.
Gewalt in der Pflege findet statt – und ist dennoch in vielen Einrichtungen ein Tabuthema. Dabei hat Gewalt viele Aspekte: Sie richtet sich zum Teil gegen zu pflegende Personen und auch Pflegekräfte sind betroffen. Es ist also höchste Zeit, darüber zu sprechen und etwas dagegen zu tun. Die wichtigsten Fragen im digitalen Praxisdialog:
Das klassische Bild der Pflegefachkraft, die Gewalt gegen Bewohnerinnen und Bewohner anwendet, ist veraltet und muss überholt werden. Gewalt kann von verschiedenen Seiten ausgehen, ob unter Mitarbeitenden, von zu Pflegenden gegenüber Pflegekräften und umgekehrt, oder von Bewohnerinnen und Bewohnern einer Pflegeeinrichtung untereinander. Dabei muss Gewalt nicht immer eine physische Ausprägung annehmen: Auch psychische Gewalt, freiheitsentziehende Maßnahmen, unangemessene Medikation und sexualisierte Gewalt fallen darunter.
Es kann nicht sein, was nicht sein darf“: Unter diesem Motto fällt das Thema Gewalt in vielen Einrichtungen leider noch unter den Tisch. Dabei ist der erste und wichtigste Schritt, darüber zu sprechen. Danach kann gemeinsam ein Konzept erarbeitet werden, um präventiv damit umzugehen. Wichtig ist auch, zu trainieren und zu reflektieren, was man selbst in gewaltvollen Situationen tun kann. Gemeinsame und offizielle Regelungen zur Aufarbeitung von Gewalt-assoziierten Vorfällen dürfen ebenfalls nicht fehlen. Hier bietet beispielsweise die Berufsgenossenschaft Unterstützung.
Gibt es keine Möglichkeit, mit den zu Pflegenden über ihr Verhalten zu sprechen, ist es wichtig, praktische Lösungen zu finden. Dazu kann beispielsweise gehören, sich aggressiven Personen nicht mehr frontal zu nähern oder das Zimmer für einen kurzen Moment zu verlassen, wenn die Situation zu eskalieren droht. Präventionstrainings können helfen, solche Maßnahmen zu erlernen und im Kollegium bekannt zu machen. Außerdem können im Rahmen der Biografiearbeit etwa mit an Demenz erkrankten Personen Hinweise gefunden werden, um Gewalt in Zukunft zu vermeiden. Oft ist auch das Gespräch mit Angehörigen aufschlussreich.
Häufig wird geschwiegen, wenn Gewalt beobachtet wird. Das kann unter anderem auf Hierarchiestrukturen oder missverstandene Kollegialität zurückzuführen sein. Deshalb ist es wichtig, das Thema anzusprechen: Dafür kann beispielsweise eine berufliche Kontakt- oder Vertrauensperson gewählt werden. Ihr kann man sich anvertrauen, sodass das Problem auch anonym weiterbearbeitet werden kann. Auch die Heimaufsicht kann man anonym über Vorfälle informieren.
In jedem Fall gilt: Nur, wenn dieses Thema besprochen wird – in den Einrichtungen, unter Pflegekräften und auch in der Öffentlichkeit –, kann es gute Lösungen geben.