Wird ein Pflegebedürftiger aus einer Einrichtung entlassen oder verlegt, kommt ein Überleitungsbogen zum Einsatz. Diese Dokumentation im Rahmen des Entlassmanagements ist wichtiger Bestandteil des Pflegeprozesses, da in ihm alle pflege- und versorgungsrelevanten Informationen über die zu pflegende Person dokumentiert sind. Egal ob stationär oder ambulant, Akut- oder Langzeitpflege – die so gesammelten Informationen müssen in sämtlichen Pflegesettings nutzbar sein.

Bisher sind diese Überleitungsbögen nicht standardisiert. Die Einrichtungen verwenden zurzeit eine Vielzahl individueller Formulare von unterschiedlichen Dokumentationsanbietern. Digitale Formate erleichtert zwar bereits den Austausch pflege- und versorgungsrelevanter Informationen, jedoch wird vielerorts auch noch mit Papier gearbeitet. Darüber hinaus sind die Schnittstellen zwischen verschiedenen Softwaresystemen eine Herausforderung. „In der pflegerischen Praxis kann das zu Übertragungsfehlern oder unvollständigen Daten führen, sodass die Informationen in den Überleitungsbögen von den Pflegekräften oft nachgefragt und manuell übertragen werden müssen, was zusätzlichen Aufwand bedeutet“, sagt Uta Ripperger von der mio42 GmbH. Bislang gab es auch keine rechtlich verbindlichen oder allge-meingültigen Standards für Form und Inhalt eines Überleitungsbogens, auch wenn es meh-rere gesetzliche Grundlagen gibt, die sich mit dem Thema Entlassmanagement in der Pflege beschäftigen – etwa § 4 und 5 des Pflegeberufegesetzes sowie verschiedene Regelungen des SGB V. Des Weiteren hat der Pflegebeirat der mio42 GmbH Empfehlungen zum Thema ausgesprochen. Mit der geplanten Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im Rahmen des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) wurde die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2022 die not-wendigen Festlegungen für die semantische und syntaktische Interoperabilität von Daten der elektronischen Patientenakte (ePA) zur pflegerischen Versorgung nach SGB V § 341 Absatz 2 Nummer 10 zu treffen.

In diesem Zuge wurde vor über zwei Jahren damit begonnen, den PIO Überleitungsbogen zu erarbeiten. Der Überleitungsbogen ist das erste Pflege-Informationsobjekt, das im Rahmen der Pflegedokumentation für die elektronische Patientenakte entwickelt wurde. Ziel des PIO soll sein, alle Daten und Informationen zu der zu pflegenden Person zukünftig standardisiert und sektorübergreifend zur Verfügung zu stellen. „Wir erarbeiten dazu medizinische Informationsobjekte (MIO), mit denen medizinische Daten standardisiert dokumentiert werden – beispielsweise in einer elektronischen Patientenakte (ePA)“, erklärt Projektleiterin Uta Ripperger. „Über Softwaregrenzen hinweg soll es so für die verschiedenen Behandelnden, Arztpraxen, Krankenhäuser oder Labore möglich sein, auf die relevanten Daten einer Pati-entin oder eines Patienten zuzugreifen.“ Bei der Entwicklung wurde ein modularer Ansatz verfolgt, sodass die Inhalte vorhandener Überleitungsbögen weiter genutzt werden können und die Basis für Interoperabilität geschaffen wird.

Die Daten aus dem Überleitungsbogen gehören nach § 341 SGB V Absatz 2 Nummer 10 zur pflegerischen Versorgung und können danach in die elektronische Patientenakte (ePA) nach § 341 Absatz 1 Satz 1 eingestellt werden. Die Nutzung des PIO Überleitungsbogen ist daher innerhalb Deutschlands perspektivisch vornehmlich im ePA-Kontext vorgesehen (analog zum Krankenhaus-Entlassbrief), jedoch wird eine direkte Übermittlung ebenfalls möglich sein. (Einen Überblick zum Thema bei der KBV gibt es hier.) 

Inzwischen haben einige Pflegeeinrichtungen mit der Erprobung des PIO Überleitungsbogens begonnen. So analysiert das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geförderte Verbundprojekt REGIO CARE in enger Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Augsburg und der Uniklinik Augsburg die Datenübertragung im Rahmen des Entlass- und Überleitungsprozesses mit dem Fokus auf der Digitalisierung des Pflegeüberleitungsberichtes (DigiPÜB). Im Rahmen des Verbundprojektes wird auch der PIO Überlei-tungsbogen erprobt. „Die Erfahrungen damit sind bisher sehr gut“, sagt Matthias Regner, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Verbundprojekt CARE REGIO. „Der bundeseinheitliche Standard kommt der Interoperabilität sehr zugute und kann so zu einer signifikanten Entlastung von Pflegekräften beitragen“, bilanziert Regner.

Allerdings gibt es für die flächendeckende Nutzung des PIO noch verschiedene Herausforderungen, die aus seiner Sicht überwunden werden müssen: Das Wichtigste sei eine Anbindung der Pflegeheime an die Telematikinfrastruktur (TI), um eine nahtlose Datenübertragung zu gewährleisten. Darüber hinaus müsse ein User-Interface entwickelt und von Pflegekräften evaluiert werden, sodass das Pflegepersonal das PIO lesen und editieren kann.

Vollstationäre Pflege Überleitungsmanagement