
Welche Erfahrungen gibt es bisher mit der generalistischen Pflegeausbildung? Das wurde im Forschungsprojekt BENP im Auftrag des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erforscht. Die Ergebnisse im Überblick.
Mit dem Pflegeberufegesetz (PflBG) wurde am 1. Januar 2020 eine grundlegend reformierte Pflegeausbildung eingeführt. Die bisherigen Berufe in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege wurden durch ein generalistisches Berufsprofil ersetzt, das zur Regel für die Pflegeausbildung wird. Durch das sogenannte Wahlrecht bleibt es jedoch möglich, sich ab dem letzten Ausbildungsdrittel auf Fachbereiche wie Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu spezialisieren und den entsprechenden spezialisierten Abschluss zu erwerben. Alternativ kann die Berufszulassung nun auch über ein Pflegestudium erworben werden.
Um die Reform der Pflegeausbildung wissenschaftlich zu begleiten, wurde das „Forschungsprogramm zur beruflichen und hochschulischen Pflegeausbildung sowie zum Pflegeberuf“ am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gestartet. Die Bundesministerien für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und für Gesundheit (BMG) haben das BIBB im Rahmen der Pflegeausbildungs- und Prüfungsverordnung § 60, Abs. 4 damit beauftragt. Mehrere Forschungsprojekte sind hierbei inzwischen umgesetzt worden, darunter das Projekt BENP (Begleitforschung des Veränderungsprozesses zur Einführung der neuen Pflegeausbildungen). Es wurde durchgeführt durch ein Forschungskonsortium aus dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), der Hochschule Esslingen und der Katholischen Stiftungshochschule München, erweitert durch das Institut Arbeit und Technik (IAT) und die Kantar GmbH.
Im Rahmen der dreijährigen Begleitforschung standen folgende Fragen im Zentrum:
Eine Auswertung der Ergebnisse unter Auszubildenden der dritten Befragungswelle ergab, dass 98 % den generalistischen Pflegeabschluss gewählt haben und die jeweilige Vertiefung nur selten angenommen wurde (in der pädiatrischen Pflege: 14,3 %; in der Altenpflege 1,7 %). Dabei fühlte sich die Mehrheit am Ende der Ausbildung gut oder sehr gut vorbereitet auf eine Tätigkeit in der stationären Akutpflege (66,8 %), der stationären Langzeitpflege (75,7 %) sowie ambulanten Pflege (65,6 %). Häufige und gute Praxisanleitungen sowie ein Informationstransfer zwischen Pflegeschule und Praxis sind für die Befragten bedeutsam, werden jedoch nur in geringem Maße umgesetzt. Ein Mehrbedarf an Unterstützungsangeboten deutet sich an.
Dr. Markus Wochnik: Sowohl Auszubildende als auch Studierende ziehen insgesamt eine positive Bilanz nach Ende der Ausbildung und des Studiums. Eine Mehrheit würde sich wieder für die Pflege und auch die Hochschule/Pflegeschule entscheiden. Auch in den qualitativen Interviews mit verschiedenen an der Umsetzung der Reform beteiligten Akteursgruppen spiegelt sich insgesamt eine positive Einschätzung wider. Aber es gibt sowohl in der qualitativen als auch in der quantitativen Befragung Hinweise auf notwendige Nachbesserungsbedarfe. Einige Problemfelder, z.B. die Finanzierung des Studiums sind bereits angegangen worden.
Prof. Dr. Bernd Reuschenbach: Auszubildende und Studierende sehen Verbesserungsbedarfe in der Art und im Umfang der praktischen Ausbildung. Das ist kein neuer Befund und war schon vor Einführung der Generalistischen Pflegeausbildung eine Herausforderung. In den Auswertungen wird aber deutlich, dass die neuen gesetzlichen Grundlagen genauere Anforderungen an die Kompetenzziele der Auszubildenden sowie an den Umfang und die Art der Praxisanleitung stellen. Dies kann zu Überforderungen führen. Die geforderten 10 % der Praxisanleitung werden nicht für alle Auszubildenden erfüllt. Auch für die an der Ausbildung beteiligten Akteure in Schule, Hochschule und den Betrieben beschreiben, dass die Theorie-Praxis-Verzahnung komplexer geworden ist, da die Ausbildungsverläufe individueller geworden sind und man sich in den Praxiseinsätzen auf die grundlegend neue Struktur des Curriculums einstellen muss. Aufgrund der anhaltend angespannten Personalsituation ist es mitunter schwierig, den Umfang von 10 % geplanter und systematischer Anleitung gewährleisten zu können.
Die Kommunikation zwischen (Hoch-)schulen und Orten des praktischen Lernens sind aus Sicht aller Befragten zu verbessern, beispielsweise durch fest verankerte Besprechungen und einen strukturierten Ausbau der Praxisbegleitungen.
Prof. Dr. Karin Reiber: Zum beruflichen Einstieg werden im Projekt BENP II erst im Jahr 2024 Befunde gesammelt. Das Projekt wird bis zum Jahr 2028 mit den bisherigen Projektpartnern fortgesetzt. Die Online-Erhebung ist wieder an Auszubildende und Studierende adressiert und wird durch eine Verbleibstudie ergänzt. Damit können erstmals über fast sieben Jahre die Verläufe vom Studium/Ausbildung in die Berufspraxis längsschnittlich untersucht werden. Für Pflegeeinrichtungen bzw. Ausbildungseinrichtungen gibt es die Möglichkeit zur Beteiligung an den Befragungen und Delphi-Runden.
Komplementär dazu werden die an der Ausbildung beteiligten Akteure im Rahmen von Fokusgruppen und einer Delphi-Studie zu ihren Erfahrungen mit den neuen Absolventinnen und Absolventen befragt. Außerdem wird erhoben, welche Erfahrungen Betriebe mit dem Übergang der Absolventinnen und Absolventen von der Ausbildung in eine Berufstätigkeit haben und ob sie dafür Unterstützungsangebote bereitstellen. In die Fokusgruppen und Delphi-Befragung werden neben den ausbildenden Personen auch Auszubildende und Absolventinnen und Absolventen beider Ausbildungsformen einbezogen.
Prof. Dr. Bernd Reuschenbach: Im Vergleich der verschiedenen Vertiefungsbereich gibt es keine bedeutsamen Unterschiede in der Bewertung durch die Auszubildenden. Die angespannte Personalsituation hat im Bereich der stationären Langzeitpflege deutlichere Auswirkungen auf die Möglichkeiten zum Praxislernen. An der Ausbildung beteiligte Akteure benennen als weitere Herausforderung, dass es aufgrund der Kapazitäten schwierig ist, die Pflichteinsätze in der Psychiatrie und Pädiatrie sicherstellen zu können.
Prof. Dr. Karin Reiber: Zum einen ist die Rolle der Praxisbegleitung ist zu klären: Allgemeine Konzepte, die dann auf die jeweilige Situation angepasst werden können, wären dafür hilfreich. Weiterhin sollten Umfang und Qualität der Praxisanleitung erhöht werden. Für die an der Ausbildung beteiligten Praxisstätten sind außerdem Hilfestellungen für eine konsequent kompetenzorientierte Praxisanleitung und Bewertung wichtig. Und für die hochschulische Bildung bedarf es einer genaueren Klärung der Einsatzfelder, am besten durch die Etablierung gelebter Praxismodelle.