Andreas ist Geschäftsführer in einem stationären Hospiz und erzählt, warum seine Einrichtung ein attraktiver Arbeitsort ist.
Hinweis: Die hier veröffentlichten Antworten geben die Sichtweise der jeweiligen Absender wieder und nicht die fachliche oder juristische Position des Bundesministeriums für Gesundheit.
Andreas: »Bei uns arbeiten alle Mitarbeitenden in einem Dreischicht-Modell, jede und jeder bringt die Bereitschaft mit, in allen drei Schichten zu arbeiten. Zudem haben wir einen exzellenten Personalschlüssel ausgehandelt und unsere Pflegedienstleitungen haben alle Mitarbeitenden in zwei „Wochenendschichten“ eingeteilt – so kann jede und jeder für die Zukunft sehen, wann sie oder er mit einer Dienstplanung zu rechnen hat. Unsere Dienstpläne schreiben wir acht Wochen im Voraus und nennen eine klare Zeit, in der Mitarbeitende die Möglichkeit haben, auf dem Vorplan Wünsche einzutragen. Im Haus liegen zudem alle Vorpläne für das gesamte Jahr aus. Eingetragen sind dort die Intervalle der Dienstwochenenden, geplante Urlaubszeiten, geplante Besprechungstermine und weitere geplante Termine. Diese können als „Wunschplan“ verstanden werden, in dem Mitarbeitende ihre Termine und Wünsche eintragen.
Zudem haben Mitarbeitende die Möglichkeit, in den ausliegenden Plänen persönliche Wünsche zu vermerken. Kollidieren Wünsche mit dem Dienstintervall, können sie bereits vor der Dienstplanerstellung mit einem Kollegen oder einer Kollegin tauschen.
Jeder Mitarbeitende ist mit der Pflegedienstleitung in engem Austausch darüber, welche Einschränkungen eventuell bezüglich einer Dienstplanung existieren. Extraregelungen, wie zum Beispiel bestimmte Dienste nicht zu übernehmen oder keinen Nachtdienst werden von Seiten des Hauses nicht gemacht. Hat jemand den Wunsch danach, muss sie oder er selbst Dienste tauschen.«
Andreas: »Alle Regelungen, die der Tarifvertrag beschreibt, gelten natürlich trotzdem. Zuschläge werden so gewährt, wie der Tarifvertrag sie fordert. Die eine Stunde zusätzlicher Gutschrift ist eine betriebliche Sonderleistung. Sicher ist dies kein riesiges Geschenk, soll aber Zeichen der Anerkennung sein.«
Andreas: »Ja, sie stellt eine gleichberechtigte Dimension da. Ich persönlich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, sie beeinflusst maßgeblich das Team, die Arbeitsatmosphäre, die Produktivität oder Zufriedenheit aller im Haus Beschäftigten. Ob Sie ihr im Alltag Beachtung schenken, hängt vor allem davon ab, ob Sie ein Interesse daran haben, sie einzubeziehen. Die Berücksichtigung der Wünsche von Mitarbeitenden bedeutet zum Beispiel nicht, dass diese uneingeschränkt realisiert werden. Entscheidend ist, ob ich sie wahrnehme und sie so weit wie möglich berücksichtigen will. Dazu ein Beispiel: Wir wissen, dass bei zwölf zur Verfügung stehenden Hospizplätzen zehn Bewohner unter Umständen mehr Arbeit verursachen können als zwölf Bewohner. Aufgabe der Leitung ist es, eine solche Belastungsgrenze wahrzunehmen und gegebenenfalls nur noch eine Bewohnerin oder einen Bewohner aufzunehmen und einen Hospizplatz frei zu lassen. Damit wird sicher die Ergebnisqualität „Auslastung“ negativ beeinflusst, hat aber in dieser Situation eine weniger bedeutende Priorität gegenüber dem Ergebnisqualitätsziel „Mitarbeiterzufriedenheit“! Die fehlenden Belegungstage können ausgeglichen werden, wenn das Team weniger belastet ist.«
Andreas: »Eine Abrechnungsmöglichkeit gibt es nicht, die Zuwendungen sind spendenbasiert. Zugrunde liegt der Möglichkeit für eine solche Zuwendung folgender Gedanke: Gute Arbeit, freundliche Mitarbeitende, ein angenehmes Betriebsklima und eine schöne Atmosphäre haben eine positive Innen- und Außenwirkung. Unser Hospiz besteht seit 25 Jahren und ist dafür bekannt, dass wir diesen Gedanken leben. Daraus ist eine große Spendenbereitschaft entstanden, die es uns ermöglicht, dem Team „etwas Gutes“ zu tun. Das motiviert und der Kreis ist geschlossen. Man merkt, Pflegende sind selbst nicht frei von Verantwortung, wenn es um Anerkennung und Wertschätzung geht.«
Andreas: »Hierzulande „…haben wir das schon immer so gemacht…“. Die Veränderungsfreudigsten sind wir in Deutschland wahrlich nicht. Leider! Die Kolleginnen und Kollegen schlagen vor, wenn sie Hilfsmittel benötigen. Oder die Leitung schlägt ein Hilfsmittel vor, oder lässt es durch das Team erproben. Ich glaube, insgesamt benötigt es eine Kultur die vorwärts denkt, Innovationen als Chance versteht und nicht als „schon wieder was Neues“.«
Andreas: »Grundsätzlich erwarten wir von jedem Mitarbeitenden die Bereitschaft, in allen Schichten eingesetzt werden zu können. Nun sind wir nicht weltfremd und wissen um Einschränkungen, die im fortgeschrittenen Alter kommen können. Mitarbeitende mit „Einschränkungen“ machen niemals alleine Nachtdienst, es gibt zwei Nachtdienstler bei zwölf Bewohnern und Bewohnerinnen. Wir arbeiten sehr an der Entwicklung altersgerechter Arbeitsplätze. So übernehmen diese Mitarbeitenden häufig Ämter, für die sie Dienstzeit außerhalb der Pflege bekommen. Zu nennen sind: Hygienebeauftragte, Mentoring und Anleitung, Mitarbeitervertretung, Qualitätsmanagement, Ehrenamtskoordination, Aromapflege oder Akupressur. Für alle diese Ämter bestehen Freistellungen in einem angemessenen Rahmen. Alle diese Tätigkeiten werden in Einrichtungen viel zu häufig „nebenbei“ gemacht. Auch dies ist ein Schritt in dem Kreis, den ich in der vorletzten Frage zu den Zuwendungen bereits beschrieben habe.«
Andreas: »Mitarbeitende von Pflegeberufen in Deutschland sind deutlich unterbezahlt! Es benötigt eine Tarifbindung in den Einrichtungen und eine höhere tarifliche Bezahlung.«
Andreas: »Es gibt ja viele Qualitätsdimensionen. Die Strukturqualität einer Einrichtung wird sich dadurch wenig beeinflussen lassen. Der Grundgedanke hinter einer besseren Bezahlung ist doch folgender: Bessere Bezahlung => höhere Motivation (den Beruf zu ergreifen / zu bleiben / sich zu engagieren) => mehr Pflegepersonal => weniger Belastung Einzelner => höhere Pflegequalität. Diese Gleichung hat viele Variablen! Unmotivierte Pflegekräfte wird es leider auch weiterhin geben, egal wie gut man sie bezahlt. Wie in jedem anderen Berufsfeld auch. Ich nehme Pflegekräfte hier auch in die Verantwortung: Qualitätsentwicklung ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe und mit der Höhe einer Vergütung verknüpfe ich auch immer die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und Mitgestaltung. Quantität im Pflegeprozess sollte meines Erachtens eine nachgeordnete Rolle spielen. Es sei denn, man richtet seine Einrichtung vordergründig auf Profit aus – aber so etwas gibt es ja gar nicht. ;-)«
Andreas ist Geschäftsführer in einem stationären Hospiz in Niedersachsen.
Andreas: »Bei uns im Leitungsteam denken wir schon lange darüber nach, wie wir als Arbeitsort interessant sein und bleiben können. Im Wesentlichen funktioniert das – besonders in Krisenzeiten wie diesen – meines Erachtens zweigleisig: indem man monetäre Anreize schafft und auf Augenhöhe zusammenarbeitet.
Was das Finanzielle betrifft, gehört für mich dazu mindestens eine tarifliche Entlohnung und eine Betriebsvereinbarung, mit der wir bei uns im Haus zum Beispiel den Abbau von Überstunden regeln und Dienstjubiläen honorieren. Springt eine Person bei Ausfall eines Kollegen oder einer Kollegin ein, bekommt sie für die übernommene Schicht als Wertschätzung und kleine Anerkennung eine Stunde gutgeschrieben. Außerdem haben wir schon im Sommer 2019 bereit erklärt, die Pflegekammer-Beiträge zu übernehmen und ermöglichen jeder und jedem pro Jahr zwei individuelle Weiterbildungstage, als Ergänzung zu Fortbildungen während der Dienstzeit. Zusätzlich gibt es ein umfangreiches Budget für teambildende Maßnahmen.
Leider sind die Tariflöhne in meinen Augen insgesamt zu niedrig, um den Pflegeberuf auch perspektivisch wieder attraktiver zu machen. Andererseits lindern 50 Euro mehr auf dem Konto aber auch nicht die Not der Kolleginnen und Kollegen. Mindestens genauso wichtig für attraktive Arbeitsbedingungen ist aus meiner Perspektive daher die richtige Grundhaltung des Arbeitgebers: Diese sollte sich an den Werten und Zielen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientieren.
In unserem Haus sind Zusammenarbeit, Mitbestimmung und Leitungsstruktur ganz wichtig und eng mit der Entwicklung der gesamten Organisation verbunden. Wir haben ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt, das neben den drei üblichen Dimensionen – Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität – eine vierte Dimension beinhaltet: „Die Beziehungsqualität“ (Stichwort „Gütesiegel stationäres Hospiz®)“. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Menschen im Hospiz miteinander umgehen. Wir erarbeiten alles gemeinsam in Arbeitsgruppen: Konzepte, Handlungsleitlinien, Verfahrensanweisungen oder Formulare. Danach diskutieren und überarbeiten wir die Ergebnisse im gesamten Team – bis es einen Konsens gibt. So können sich alle im Haus Tätigen maximal beteiligen, einschließlich der Ehrenamtlichen. Die Leitungen initiieren, steuern und geben einen Rahmen, entscheiden aber nicht allein. Althergebrachtes Verständnis klassischer Leitungstypen sucht man hier vergeblich.
Dass dieses Vorgehen zum Ziel führt, zeigt sich gerade in diesen schwierigen Zeiten deutlich. Denn gerade jetzt sind gute Beziehungen der beste Nährboden, um neue Herausforderungen gemeinsam meistern zu können.«
Jetzt mitmachen und austauschen – im Pflegenetzwerk Deutschland!