Für Menschen mit Demenz ist ein Krankenhausaufenthalt eine große Veränderung:  Personen, Räumlichkeiten und der Tagesablauf sind ihnen unbekannt. Das kann zu Angst, Unruhe, einer Abwehrhaltung oder sogar zu einem sogenannten Delir führen, einem akuten Verwirrtheitszustand. Eine gute Beziehungsgestaltung und emotionale Zuwendung geben ihnen Sicherheit, können die Angst lindern und sie beruhigen – das berichtete Sabine Herler-Kettrukat vom AGAPLESION Markus Krankenhaus Frankfurt bei der Fachveranstaltung am 14. November 2023.

 

Das Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt am Main verfolgt den Ansatz des „demenzsensiblen Krankenhauses“ und setzt den Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ seit etwa zwei Jahren um. Teams aus speziell geschulten Pflegekräften (Kognitionsteam), Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern arbeiten dabei eng zusammen, damit die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz auch im hektischen Klinikalltag und möglichst von allen Mitarbeitenden beachtet werden.  

 

Wie Sabine Herler-Kettrukat erläuterte, begleiten die multiprofessionellen Teams Menschen mit Demenz beispielsweise zu Untersuchungen, sie achten auf kurze Wartzeiten und eine möglichst reizarme Umgebung. Patientinnen und Patienten mit Demenz tragen zudem ein rotes Armband, damit ihnen die besondere Aufmerksamkeit zukommen kann.

Mit dem Expertenstandard zu Aha-Erlebnissen bei beruflich Pflegenden

„Die Erfahrungen zeigen: Es lohnt sich, auch mal andere Wege zu gehen. Für viele Pflegekräfte ist es ein Aha-Erlebnis, dass sich ein anderer Umgang mit Menschen mit Demenz für beide Seiten positiv auswirkt und zu angenehmeren Situationen führt“, so Sabine Herler-Kettrukat. Um mehr Sensibilität für Menschen mit Demenz zu erreichen, werden Schulungen und Fortbildungen angeboten und das Personal wird entsprechend vorbereitet. Angehörige und Beschäftigte werden zudem regelmäßig befragt.

Allerdings gibt es bei der Umsetzung des Expertenstandards auch Herausforderungen. Vor allem aufgrund des mangelnden Wissens über Erscheinungsformen und Auswirkungen der Krankheit. Menschen mit Demenz würden oft grundlos als besonders aufwendige Patientinnen und Patienten und als zusätzliche Belastung eingeschätzt, weil viele generelle Vorurteile dominieren und zu wenig differenzierte Erfahrung vorherrsche. Das rühre auch daher, dass dem Thema insgesamt nicht genügend Priorität eingeräumt wird.

Auch können eingeschliffene Routinen und Kommunikationsmuster die Umsetzung des Expertenstandards erschweren. Für Sabine Herler-Kettrukat steht fest: „Denk- und Verhaltensmuster zu ändern, braucht Zeit und Geduld bei allen Beteiligten. Es ist eine langfristige Aufgabe, die sich aber lohnt.“

Der person-zentrierte Ansatz in der Pflege

Der Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ wurde durch das Deutsche Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP) in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat und mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelt. Er stellt den Person-zentrierten Ansatz in der Pflege in den Mittelpunkt.

Perspektivwechsel mit dem Demenz-Balance-Modell

Menschen mit Demenz verlieren immer mehr Kompetenzen, wodurch ihr Identitätsgefüge aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Damit Pflegekräfte sich besser in diese Situation einfühlen können, hat Barbara Klee-Reiter das Demenz-Balance-Modell erarbeitet. Auf der Veranstaltung hat sie ihre Erfahrungen im Umgang damit vorgestellt.

Ein Wandel im Umgang mit Demenz in Pflege und Betreuung

In der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz geht es um eine veränderte Perspektive, eine andere Haltung und bewusstes, empathisches Interagieren: weg von der funktionalen Ausrichtung hin zum Erhalt und zur Stärkung der Person. Der Expertenstandard soll dazu beitragen, die Professionalität der Pflege zu stärken, indem die Beziehung, das Interagieren und Miteinander-Umgehen bewusst gestaltet wird und eine zugewandte Pflege und Betreuung handlungsleitend umgesetzt wird.

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