Blick von oben in einen hellen Raum mit Bühne und Publikum, was davor sitzt. Auf der Bühne sind Sessel und ein Rednerpult zu sehen.

Die Gesundheits- und Krankenpflegerin Leah Weigand eröffnete das offizielle Programm des Tages mit ihrem Poetry-Slam-Text über ihre Arbeitserfahrungen in der Pflege. Schon ihr Einstieg deutete an, dass die Pflege und die beruflich Pflegenden alltäglich einer ambivalenten Situation ausgesetzt sind: „Pflege ist existenziell und außerdem toll. Pflege ist generell anspruchsvoll. Du sagst, du könntest das ja nicht. Ich sag: Wir auch nicht – nicht so.“ 

Studie zur Arbeitsplatzsituation vorgestellt

Leah Weigand sprach damit ein Kernthema an: die Arbeitsbedingungen und aktuellen Herausforderungen in der Pflege. Dabei bestätigte die am 12. Mai vorgestellte, vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beauftragte zweiteilige Studie zur Arbeitsplatzsituation in der Akut- und Langzeitpflege, dass viele beruflich Pflegende ähnliche Empfindungen wie Leah Weigand teilen. Pflegekräfte und Auszubildende in der Pflege wünschen sich demnach nicht nur eine angemessene Bezahlung und mehr Kollegen, sie wollen auch mehr Unterstützung bei der Kinderbetreuung, verlässliche Dienstpläne und mehr digitale Unterstützung sowie Entlastung im Arbeitsalltag. Auch mit Blick auf das Arbeitsklima und den Führungsstil von Vorgesetzten sehen sie Verbesserungsbedarf. (hier geht es zu den Details der Studie)

Aufzeichnung vom Tag der Pflegenden 2023

Bei der Veranstaltung „Pflegearbeitsplatz mit Zukunft!“ am 12. Mai 2023 wurden die zentralen Ergebnisse der Studien von den Autoren vorgestellt. Hier können Sie sich die Präsentationen und die Aufzeichnung ansehen. 

 

Pflegepolitik – Quo vadis?

„Der Wunsch nach einer angemessenen Bezahlung, einer am Pflegeaufwand ausgerichteten Personaldecke und einer besseren digitalen Ausstattung ist berechtigt“, unterstrich auch Sabine Dittmar, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit in ihrer Rede auf der Veranstaltung. Gleichzeitig betonte sie, dass Deutschland auf einem guten Weg sei und zahlreiche Verbesserungen politisch auf den Weg gebracht wurden: die verpflichtende Bezahlung auf Tarifniveau in der Langzeitpflege oder die Unterstützung bei der Vereinbarkeit von familiärer Pflege, Familie und Beruf, die Verbesserungen in der Personalausstattung. Aber auch Dittmar stellte klar, dass die Arbeitsbedingungen weiter verbessert werden müssen. Dazu treffe man klare bundeseinheitliche Vorgaben zur Personalbemessung und digitalisiere das Gesundheitswesen weiter, so die Staatssekretärin. Ziel sei es, den Druck von den Pflegenden zu nehmen. Dittmar: „Die Ergebnisse der Arbeitsplatzstudie sind für uns auch ein Auftrag. Sie zeigen, welche Aspekte noch mehr in den Fokus gerückt werden müssen.“ Eine der größten Herausforderungen aktuell sei der Personalmangel. „Wir sind auf die Fachkräfteeinwanderung angewiesen. Das hilft, die Abwärtsspirale zu stoppen.“

Kommen Sie mit uns im Praxisdialog ins Gespräch

Wir möchten mit Ihnen die Ergebnisse aus der Arbeitsplatzstudie vertiefen! Im Praxisdialog am 6. Juni, 15.00 Uhr stellt Benjamin Herten, Teamleiter am Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft GmbH (IEGUS) gemeinsam mit Dr. Sandra Zimmermann vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WifOR) die Befragungsergebnisse aus der Studie im Detail vor und lädt alle Interessierten zum Austausch dazu ein!

Pflege 2.0 – Digitalisierung in der Ausbildung

Wie digitale Lösungen gerade bei der Aus- und Weiterbildung ausländischer Fachkräfte helfen können, zeigt das vom BMG geförderte Projekt PflegeDigital 2.0 (mehr Infos zum Projekt finden Sie hier). Auf der Veranstaltung präsentierte Projektleiter Jan Neuhöfer, Professor an der HAW Hamburg, die Ergebnisse der letzten drei Jahre. Zusammen mit seinem Team aus dem Department Medientechnik in Kooperation mit der Knappschaft Kliniken GmbH wurde eine modulare, mehrsprachige digitale Lösung zum interaktiven Lernen pflegerischer Handlungsprozesse entwickelt. Sie kombiniert auf der Wort- und Tonebene informative Lehrinhalte mit Virtual Reality-Modulen, die sich Schritt für Schritt selbst durchgehen lassen – inklusive der kontinuierlichen Abfrage des gelernten Wissens. Dieses digitale Selbstlern-Werkzeug soll nun langfristig dabei helfen, wichtige Abläufe und Fachbegriffe der Pflege orts- und zeitunabhängig zu verinnerlichen. Die Lösung soll sowohl vorbereitend als auch begleitend zum Präsenzunterricht eingesetzt werden können und richtet sich insbesondere an Auszubildende, Lernende und Studierende mit Migrationshintergrund in der Pflegehelferausbildung und der berufsfachschulischen und akademischen Pflegeausbildung sowie Pflegekräfte, die ihre im Ausland erworbenen Examina über eine Äquivalenzprüfung anerkennen lassen müssen. „Mittlerweile stehen 22 verschiedene interaktive Lernmodule nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Vietnamesisch zur Verfügung – jederzeit zum Wechseln von Deutsch in die andere Sprache. Damit können wir einen großen Teil dazu beitragen, die Pflege attraktiver zu gestalten“, so Professor Neuhöfer. Das Tool können Interessierte nun kostenfrei ausprobieren (hier geht’s zur Demoversion: https://demo.pflegedigital20.de/login/index.php). 


Wertschätzung durch Kommunikation stärken 

Während der Veranstaltung ging es vielfach auch um die Art der Kommunikation, die beruflich Pflegende miteinander, aber auch über ihre Arbeit und den Arbeitsplatz pflegen. 
Das vom BMG geförderte Projekt Kompetenzkommunikation und Wertschätzung in der Pflege (KoWeP) setzt sich genau damit auseinander. „Wir wollen die Kommunikationsfähigkeit von Pflegekräften steigern und sie dazu befähigen, ihre eigene Expertise besser nach außen zu tragen, um damit auch eine öffentliche Anerkennung der Pflegeprofession zu erreichen und gegen die oftmals falschen Bilder über die Pflege anzugehen“, sagte Professor Michael Isfort vom Deutschen Institut für Pflegeforschung in seinem Impulsvortrag (mehr Infos zum Projekt finden Sie hier). 

Virtueller Markt der Möglichkeiten

Begleitend zum Programm am Tag der Pflegenden 2023 stellte ein Markt der Möglichkeiten Modell- und Studienmaßnahmen des BMG vor, die sich mit Gegenwart und Zukunft des Pflegeberufs beschäftigen. Hier finden Sie die Infos zu allen Projekten im Überblick.

Die Zukunft der Pflege gestalten 

In der abschließenden Podiumsdiskussion standen allgemeine Herausforderungen zum Arbeitsplatz Pflege, auch mit einem Blick in die Zukunft auf der Agenda. Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, betonte insbesondere die Notwendigkeit einer soliden Selbstverwaltungsstruktur in Deutschland, wie sie unter anderem mit der Errichtung von Pflegekammern gewährleistet wäre. Aus ihrer Sicht eine notwendige strukturelle Voraussetzung, um die Mitbestimmung der Pflegebranche insgesamt zu stärken. „Wir brauchen eine einheitliche Sprache für die Pflege in Deutschland und eine Stärkung der Kompetenzen und Handlungsautonomie für Pflegefachpersonen“, unterstrich Vogler. „Besonders für Pflegefachkräfte aus dem Ausland ist das in Hinblick auf die Berufsanerkennung wichtig, und es stärkt die Attraktivität des Pflegeberufs.“ 

Für eine positive Wahrnehmung sprach sich Moritz Hüsken aus der Arbeitsgruppe Junge Pflege des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) aus: „Die Pflege ist ein attraktiver, sinnstiftender Beruf, gerade weil ich mich und meine Kompetenzen einbringen kann“, sagte er während der Podiumsdiskussion. „Natürlich ist auch die Digitalisierung längst überfällig, um die Attraktivität zu steigern. Hier müssen wir die beruflich Pflegenden der verschiedenen Generationen stärker mitnehmen und für einen besseren Wissenstransfer sorgen“, so Hüsken weiter.

Dies bekräftigte auch die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, MdB: „Um mit Hilfe der Digitalisierung tatsächlich eine Entlastung der Pflegenden zu erreichen, müssen wir vernetzter und stärker Generationen übergreifend denken.“ Ein entscheidender Wunsch an den Pflegearbeitsplatz der Zukunft ist für sie, dass Pflegekräfte wieder mehr Zeit für die eigentliche Pflege haben. Darüber hinaus plädiert auch sie für eine positive und wertschätzende Kommunikation zum und über den Pflegeberuf: „Es ist wichtig, nicht nur über die negativen Aspekte der Pflege zu sprechen. Wenn wir junge Menschen für den Beruf begeistern wollen, sollten wir auch die positiven Seiten benennen.“ 
 

Konzertierte Aktion Pflege Arbeitsbedingungen Gute Führung