Lila Banner mit großem weißen Text „NAH & DRAN“, dem „&“ in Orange. Rechts lautet der kleinere orangefarbene Text: „PFLEGEPOLITIK. PRAXISNAH. AUS ERSTER HAND.“.

Pflege international

Für die Integration ausländischer Beschäftigter in der Pflege ist ein Faktor zentral: die regionale Vernetzung vor Ort. Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt ein Beispiel aus Südbrandenburg.

Wer nach einem Patentrezept für die betriebliche Integration internationaler Fachkräfte sucht, ist bei Prof. Lukas Slotala an der falschen Adresse. „Integration muss vor Ort erfunden und vor Ort gedacht werden, das funktioniert nicht überall gleich“, unterstreicht der Professor von der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Als früherer Regierungsbeamter im Bereich berufliche Anerkennung und als Autor zahlreicher Fachbücher weiß er um die Herausforderungen. Diese haben vor allem damit zu tun, dass die Anerkennungsprozesse in jedem Bundesland anders geregelt sind. „Es ist auch keine triviale Frage zu klären, wann ein Abschluss aus dem Ausland gleichwertig ist. Das wird in Hamburg anders umgesetzt als in Düsseldorf“, sagt Slotala und betont: „Diese Unterschiede können aber auch ein Vorteil sein, weil sie regionale Besonderheiten erlauben.“ Genau darin sieht der Experte auch den Schlüssel für eine erfolgreiche internationale Integration in der Praxis – im konsequenten Austausch sowie der Vernetzung aller Beteiligten vor Ort.  (Hier geht's zur Aufzeichnung eines Online-Praxisdialogs mit Prof. Slotala

Zwei medizinische Fachkräfte in OP-Kleidung stehen an einem Computerarbeitsplatz in einem Krankenhausflur, überprüfen Informationen auf dem Monitor und besprechen etwas miteinander.

Dass Integration schon heute eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre. Von den aktuell rund 1,7 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Pflege kommt inzwischen jede sechste Person aus dem Ausland. Ihr wachsender Anteil federt damit den demografisch bedingten Rückgang der deutschen Beschäftigten in der Pflege maßgeblich ab und trägt dazu bei, dass der Arbeitskräftemangel in der Pflege nicht noch größer ausfällt.  

 

63,5 % der sozialversicherungspflichtigen ausländischen Beschäftigten in der Krankenpflege in Deutschland sind laut Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit dem Anforderungsniveau Fachkraft zugeordnet. Tätigkeiten als Helferinnen oder Helfer werden von 34 % ausgeübt. In der Altenpflege ist das Bild anders: Hier sind 33,6 % der ausländischen Mitarbeitenden dem Niveau Fachkraft und 66 % dem Hilfstätigkeiten-Niveau zugeordnet.

Pioniere in der Lausitz

Den Mangel nur verwalten, das kommt für Maren Dieckmann, Fachbereichsleiterin Soziales der Stadt Cottbus/Chóśebuz, auch nicht infrage. „Es regelt sich da nichts von allein. Wir müssen das selbst in die Hand nehmen.“ In Südbrandenburg haben die Verantwortlichen genau das getan. Der Wandel ist in vollem Gange – auch dank der Netzwerke, die zwischen den verschiedenen Beteiligten gespannt werden. Etwa im Pflegebund Lausitz – Verbundprojekt Süd, der durch die Landesregierung im „Pakt für Pflege“ finanziell unterstützt wird. Hier arbeiten die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und die kreisfreie Stadt Cottbus/Chóśebuz mit dem städtischen Klinikum und den regionalen Ligen der Wohlfahrtspflege eng zusammen. Ein wichtiges Element: Das größte städtische Klinikum in Brandenburg wird zum Universitätsklinikum als Anker in der Modellregion Gesundheit Lausitz ausgebaut. Die Bundesländer Brandenburg und Sachsen ziehen hier gemeinsam an einem Strang – wesentlich unterstützt bis 2038 mit Mitteln vom Bund aus Geldern des Investitionsgesetzes Kohleregionen. 

Modernes Gebäude mit Glaseingang und Metallfassade; ein Schild davor mit der Aufschrift „Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem“ und „Haupteingang“ weist darauf hin, dass es sich um den Haupteingang einer Medizinischen Universität handelt.

In einem ersten Schritt ist im Juli 2024 die Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem (MUL-CT) gegründet worden, eine langfristige Personalplanung – auch in der Pflege – inklusive. „Wir wissen, dass wir in zehn Jahren unseren eigenen Bedarf an Beschäftigten in der Pflege nicht mehr decken können“, sagt Andrea Stewig-Nitschke, Pflegedirektorin an der MUL-CT. „Jeder dritte Schulabgänger in Südbrandenburg müsste in der Pflege lernen, damit wir den Bedarf hier sichern können.“ Damit ist klar: Der Ausbau der eigenen Ausbildungsstrukturen ist wichtig, aber die gezielte Anwerbung von ausländischen Fachkräften ebenso. „Damit Integration langfristig erfolgreich ist, haben wir uns gefragt, welche Regionen im Ausland zu unserem Bedarf und zur Lausitz passen, wo eine Anwerbung Potenzial hat, damit sich die Menschen hier auch wohlfühlen und bleiben wollen“, beschreibt Stewig-Nitschke die Herangehensweise. Sie rechnet allein für die MUL-CT mit einem Bedarf von 60 bis 80 Pflegefachpersonen pro Jahr, die aus dem Ausland gebraucht werden. „Wir stehen immer wieder vor der Frage: Wie bekommen wir spezifische Fachbereiche in der Klinik abgedeckt, etwa die Intensivpflege.“ 

Gemeinsam mit Maren Dieckmann und vielen weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern vor Ort, in den umliegenden Landkreisen, aber auch auf Landesebene hat sich die Pflegevorständin in den letzten Jahren für eine Vorreiterrolle der MUL-CT bei diesem Thema stark gemacht. Ob es um die Integration vietnamesischer Pflegeazubis, die bilinguale deutsch-polnische Pflegeausbildung, die Integrations- und Anerkennungsmaßnahmen von brasilianischen Intensivpflegefachkräften oder die Einbindung von Menschen aus der Ukraine für die Pflegeausbildung ging – die MUL-CT ist vielfach unterwegs, um ihren Fachkräftebedarf zu decken. Gleichzeitig ist man bei Netzwerktreffen auf Landesebene mit Trägerinnen und Träger kleinerer Einrichtungen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung dabei, damit diese von den Anwerbe-Erfahrungen der MUL-CT profitieren können.  

Für Slotala ist genau das der richtige Weg: von anderen lernen und Erfahrungen weitergeben. Aber das funktioniert nur, wenn es realistische Erwartungen gibt. „Wer ausländische Beschäftigte sucht, muss den Willen, die Zeit und die Ressourcen mitbringen und es als langfristige Aufgabe begreifen. Betriebliche Integration ist Arbeit“, sagt er. (hier Aufzeichnung eines Online-Praxisdialog mit Prof. Slotala ansehen

Aber, und das sei die gute Nachricht: Es gibt viele Unterstützungsangebote wie den „Werkzeugkoffer Willkommenskultur und Integration“ des Deutschen Kompetenzzentrums für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) oder das staatliche Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“, die eine gute Hilfe im Prozess bieten.

Eine Frau mit schulterlangem blondem Haar, Brille, hellrosa Blazer und schwarzem Hemd posiert vor einem schlichten grauen Hintergrund.
“In Deutschland haben wir noch einen sehr traditionellen Blick auf die Pflege. Das muss sich in den kommenden Jahren ändern.”
Andrea Stewig-Nitschke, Pflegedirektorin an der MUL-CT, Cottbus

Andrea Stewig-Nitschke ist überzeugt, dass die international bereits etablierte akademische Pflegeausbildung gerade in strukturschwachen Regionen ein Schlüssel zur zukunftssicheren Gesundheitsversorgung ist: „In Deutschland haben wir noch einen sehr traditionellen Blick auf die Pflege. Das muss sich in den kommenden Jahren ändern. International übernehmen Pflegefachpersonen, insbesondere mit Bachelor- oder Masterabschluss, häufig weitergehende Eigenverantwortung und verbessern damit nicht nur die Versorgung, sondern tragen in multiprofessionellen Teams auch zur Wirksamkeit in der Patientenversorgung bei.“

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Internationalisierung in Zahlen

Die Internationalisierung der Gesundheitsberufe zeigt sich insbesondere in der Pflege. Ausländische Beschäftigte tragen hier maßgeblich dazu bei, den Fachkräftemangel abzufedern. 

Im Porträt: Stefanie Gierth

Wie sieht Integration in der Praxis aus? Ein Vor-Ort-Besuch bei der Integrationsbeauftragten des Vivantes Klinikums Am Urban in Berlin.

Themenseite Integration

Von der Anwerbung über die Anerkennung bis hin zur fachlichen und sprachlichen Integration – wer als Pflegeeinrichtung ausländische Pflegefachpersonen integrieren möchte, sollte sich vorab umfassend über wichtige Schritte, Prozesse und Verfahren informieren. Hier geben wir einen Überblick über Erkenntnisse aus Pflegewissenschaft und Pflegepraxis, aber auch hinsichtlich aktueller politischer Rahmenbedingungen.

Bildnachweis: Pflegenetzwerk Deutschland / Patrick Ohligschläger sowie MUL-CT