Lila Banner mit großem weißen Text „NAH & DRAN“, dem „&“ in Orange. Rechts lautet der kleinere orangefarbene Text: „PFLEGEPOLITIK. PRAXISNAH. AUS ERSTER HAND.“.

Telematikinfrastruktur: Schlüssel zur digitalen Pflege

Von SMC-B bis eHBA – bei der Anbindung von Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur ist ein gewisses Technikverständnis gefragt. Doch der Weg lohnt sich, wie erste Erfahrungen zeigen. Und: Es gibt vielfach Unterstützung!

Abbildung: Fünf verschiedene medizinische Fachkräfte stehen vor einem großen Tablet-Bildschirm mit einem Symbol für ein unverschlossenes Vorhängeschloss, während eine Hand das Symbol berührt, das einen sicheren Zugriff auf elektronische Patientenakten darstellt.

Daniel Zschau ist Assistent der Einrichtungsleitung der pro civitate Seniorenresidenzen GmbH in Großenhain. Eine kleine Stadt mit ländlicher Umgebung und Arztpraxen, die bis zu 20 km entfernt liegen. Jedes neue Rezept der Bewohnenden hat häufig auch den Hausmeister der Einrichtung auf Trab gehalten: Versichertenkarten wurden vom Pflegeheim zur Hausarztpraxis gebracht oder Arzneimittel in der Apotheke abgeholt. Es gingen Faxe zu Apotheken und wieder zurück, oft mit handschriftlichen Notizen. Es gab vermehrt Rücksprache­bedarf. Das sieht heute ganz anders aus, die Seniorenresidenz ist an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden und nicht nur Zschau freut sich, dass dieser Schritt getan ist. „Es entfallen mittlerweile sehr viele Botengänge, sodass das Personal wieder mehr Zeit für Arbeiten vor Ort hat. Sowohl uns als Einrichtung, aber auch der Apotheke liegen die relevanten Informationen zur Medikation schneller vor. Anpassungen können mit deutlich weniger zeitlichem Aufwand vorgenommen werden. Letztlich hat sich durch diese Umstellung auch schon gezeigt, dass unsere Bewohnenden besser versorgt werden, da zügiger reagiert werden kann und wichtige Medikamente schneller vor Ort sind.“ 

Noch gehört die Einrichtung in Großenhain zu einer Minderheit, dabei tickt die Uhr: Bis zum 1. Juli 2025 sollen alle Pflegeeinrichtungen nach SGB XI sowie die Erbringer von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der außerklinischen Intensivpflege verpflichtend an die TI angeschlossen sein. So steht es in den §§ 341 Abs. 8 bzw. 360 Abs. 8 SGB V geschrieben. Laut gematik hat sich zum Ende des ersten Quartals 2025 etwa ein Drittel der Pflegeeinrichtungen auf den Weg gemacht. Die Anmeldung beim E-Mail-Dienst KIM (Kommunikation im Medizinwesen) sowie die Beantragung der TI-Kosten beim GKV-Spitzenverband haben über 2.000 Einrichtungen vorgenommen.

„Wer als Einrichtung bisher noch nicht gestartet ist, sollte dies unbedingt angehen“, sagt Dr. Julia Freytag. Als Referentin beim GKV-Spitzenverband hatte sie das Modellprogramm zur Einbindung der Pflegeeinrichtungen an die TI begleitet – knapp 90 Einrichtungen haben im Zeitraum von 2021 bis 2024 daran teilgenommen. Julia Freytag weiß daher, auf welche Hürden und Herausforderungen Beteiligte treffen. Ihr Fazit: Es gibt bereits viele gute Praxisbeispiele, von denen man lernen kann.  

„Die Erkenntnisse aus dem TI-Modellprogramm haben wir kompakt in einem Leitfaden gebündelt“, berichtet sie. Erfahrungen, wie sie Daniel Zschau aus seiner Einrichtung beschreibt, sind im TI-Ressourcenpool als Best-Practice-Beispiele gut aufbereitet. Auch viele weitere Materialien bieten Orientierung. Der TI-Ressourcenpool ist damit ein wichtiges Serviceangebot im neuen Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege.  

Eine Frau mit glattem, schulterlangem hellbraunem Haar lächelt in die Kamera. Sie trägt einen dunklen Blazer über einem grünen Oberteil, eine Halskette und Creolen vor einem hellvioletten Hintergrund.
“Ich kann nachvollziehen, dass viele Pflegeeinrichtungen die Anbindung an die TI zögerlich vorangetrieben haben, da die Kosten-Nutzen-Abwägung nicht immer gleich augenscheinlich war. Aber immer mehr Prozesse werden über die TI laufen. ePA und E-Rezept sind nur erste Anwendungen. In Zukunft werden auch weitere Anwendungen wie Abrechnung, Verordnungen von HKP, Heil- und Hilfsmitteln etc. möglich sein. Und mit der bestehenden Kostenerstattung dürfte der Nutzen deutlich in den Vordergrund rücken. Daher rate ich: Machen Sie sich mit der TI vertraut und nutzen Sie die heute bereits vorhandenen Lösungen!”
Dr. Anika Heimann-Steinert, Produktmanagerin bei der gematik GmbH

TI-Anbindung: Mehr als nur Pflicht

Jeannette Winkelhage, Teamleiterin Digitalisierung in der Pflege beim GKV-Spitzenverband, unterstreicht den hohen Nutzwert der TI-Anbindung für die Pflegepraxis: „Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck oder lästige Pflicht, sondern soll die pflegerische Versorgung verbessern und Pflegende in ihrem Alltag entlasten – kurzfristig und langfristig.“ Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:  

Erleichterte Kommunikation: Die TI ermöglicht über die Kommunikation im Medizinwesen (KIM) eine sichere und schnelle Kommunikation zwischen Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern. Informationen wie Medikationspläne, Arztbriefe oder Rezepte können digital abgerufen und ausgetauscht werden.

Höhere Versorgungsqualität: Zentrales Element der TI wird die elektronische Patientenakte (ePA) sein. Sie dient künftig als Informationsquelle, in der Pflegehistorien und Behandlungspläne jederzeit abrufbar sind. Fehler bei der Medikation werden vermieden, die Kontinuität in der Versorgung wird verbessert. Diese Vorteile der ePA sind dann vollumfänglich im Versorgungskontext spürbar, sofern die Versicherten der Einrichtung einer ePA nicht widersprochen haben.  

Zeitersparnis und Entlastung: Zentrale digitale Daten reduzieren die Aufwände beruflich Pflegender für Dokumentation und Datenaustausch. Anstelle von Papierakten können Pflegeberichte, Medikationspläne oder Überleitungsbögen elektronisch erfasst und weitergeleitet werden. Administrative Aufgaben wie die Beantragung von Verordnungen oder das Einsehen medizinischer Dokumente sind direkt über die TI möglich. Das entlastet im Alltag.

Gleichwohl ist die Umstellung für jede Einrichtung ein Großprojekt, das es zu bewältigen gilt – eine gute Vorbereitung ist das A und O. „Für eine erfolgreiche Umsetzung hilft es, eine klare Vision für die digitale Kommunikation mit KIM zu entwickeln“, sagt Frank Nimrich, Projektleiter bei der Evangelischen Johannesstift Altenhilfe gGmbH. Als Digitalisierungsmanager hat er die TI-Anbindung im Haus Pflege & Wohnen Anna Maria Gerhardt in Berlin umgesetzt, ebenfalls im Rahmen des Modellprogramms des GKV-Spitzenverbandes.  

Ein Mann mittleren Alters mit kurzen grauen Haaren, Brille und gestutztem Bart, der ein hellblaues Hemd mit Kragen trägt, lächelt vor einem schlichten hellvioletten Hintergrund in die Kamera.
“Es ist ratsam, im Zusammenhang mit der Einbindung in die Telematikinfrastruktur auch die Infrastruktur und Prozesse in der eigenen Einrichtung kritisch zu beleuchten. Für eine erfolgreiche Umsetzung hilft es, eine klare Vision für die digitale Kommunikation mit KIM zu entwickeln, welche die Vorteile und Entlastungspotenziale verdeutlicht und den Beteiligten während der Projektumsetzung als Orientierung dient.”
Frank Nimrich, Projektleiter bei der Evangelisches Johannesstift Altenhilfe gGmbH zu seiner Empfehlung zum Einsatz der KIM

Vom Sammel-Fax zur KIM-Adresse  

Sein Fazit: Es bleibt nicht aus, dass die eigenen Infrastrukturen und Prozesse kritisch hinterfragt werden müssen. „Früher war das Faxgerät unser Hauptkommunikationsmittel für den Austausch mit ärztlichen Praxen, mit einem Gerät im 3. Stock. Wenn Unterlagen eingingen, mussten diese in die entsprechenden Wohnbereiche transportiert, eingescannt und in der Papierakte abgeheftet sowie die relevanten Informationen zusätzlich noch händisch in unser Primärsystem übertragen werden. Handgeschriebene Faxe waren oft schwer lesbar, was die Arbeit erschwerte.“ Heute hat jeder Wohnbereich eine eigene KIM-Adresse. Pflegefachpersonen und perspektivisch auch Pflegefachassistenten haben einen Zugriff auf die Postfächer und können KIM-Nachrichten abrufen und versenden – und so vor allem den direkten Austausch mit Arztpraxen viel effizienter als bisher erledigen.

Wie die Anbindung konkret erfolgt, kann dabei individuell ganz unterschiedlich sein – wobei viele Erfordernisse gleichermaßen auf ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen zutreffen, z. B.:  

  • kontinuierliche Schulung der Mitarbeitenden, die in verschiedenen Umgebungen arbeiten oder
  • die Integration in bestehende Pflegemanagementsysteme und die Vernetzung innerhalb der Einrichtung.
Eine Person mit kurzen braunen Haaren, einer großen, klaren Brille und einem braunen Oberteil blickt vor einem hellen, schlichten Hintergrund direkt in die Kamera.
“Die digitale Vernetzung ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Pflege.”
Dr. Jeannette Winkelhage, Teamleiterin Digitalisierung in der Pflege beim GKV-Spitzenverband
Eine Krankenschwester steckt ein großes virtuelles Kabel in eine Steckdose, die von einer entfernten Person gehalten wird. Über ihnen sind digitale Binärzahlen und Wolken zu sehen, und verbindet einen bettlägerigen Patienten mit der Fernpflegetechnologie.

Von der Hausarztpraxis zur Pflege und wieder zurück  

Wie digitale Vernetzung, angefangen von der Implementierung bis hin zur Anwendung, gut funktionieren kann, zeigt das ebenfalls im Modellprogramm geförderte Projekt „Docs and Care Network“. Simon Maria Kremer ist einer der Koordinatoren beim beteiligten Pflegedienst Lebensbaum GmbH und kümmert sich um den Aufbau neuer Schnittstellen und Prozesse mit anderen Leistungserbringern. „Während wir früher zum Teil bereits digitalisierte Daten noch ausgedruckt haben, um sie anschließend wieder zu digitalisieren, geht jetzt einiges bereits den digitalen Weg: Wir haben einen Prozess entwickelt, mit dem wir zum Beispiel Vitaldaten der Pflegebedürftigen von der Pflegedienstleitung über KIM direkt zur Hausarztpraxis übertragen können.“ Auf diese Weise gelingt auch eine schnellere Rückmeldung von der Praxis zurück in die Pflege: Statt Fax oder Telefon (KIM-Nachricht) direkt per E-Mail zu den Pflegefachpersonen in der Einrichtung. „Die Digitalisierung braucht sicherlich noch etwas Zeit an einigen Punkten, aber es ist wichtig, sich jetzt auf den Weg zu machen“, bilanziert Kremer.  

“Letztlich hat sich durch die Umstellung gezeigt, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner besser versorgt werden können, da zügiger reagiert werden kann und wichtige Medikamente schneller verfügbar sind.”
Daniel Zschau, Assistent der Einrichtungsleitung der pro civitate Seniorenresidenzen GmbH

Wer finanziell unterstützt  

Ganz wichtig ist zudem: Die TI-Anbindung muss keine Einrichtung allein bewältigen. Der TI-Ressourcenpool bietet umfassende Hilfestellungen und Schulungsmaterialien. Hier wird auch auf das Thema Kostenerstattung durch die TI-Pauschale in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung hingewiesen. Denn für die Beantragung dieser TI-Finanzierung gibt es beim GKV-Spitzenverband ein eigenes Portal. Ein Anwendungshandbuch hilft bei der Anmeldung und Registrierung. Des Weiteren stellt das Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege auch Informationen zu darüber hinausgehenden, allgemeinen Fördermöglichkeiten bereit, die beim Aufbau einer digitalen Infrastruktur helfen. 

Weiterführende Artikel aus dem Magazin

Der TI-Ressourcenpool des Kompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege

Ein Schritt nach dem anderen zur TI-Anbindung – eine Anleitung

Digitale Pflege: Mehr als Vernetzung