Kommunikation

Kommunikation: das A und O der Pflege

Der Philosoph Karl Jaspers prägte den Satz: „Alles, was wir sind, sind wir in Kommunikation.“ (Jaspers, 1947, S. 378). Überall, wo Menschen sich begegnen, wird geredet, gelobt, kritisiert, sich ausgetauscht, gemeinsam gelacht und manchmal auch gestritten: es wird kommuniziert. Kommunikation bestimmt unseren Alltag im Privat- und Berufsleben und ist der Schlüssel für ein gutes Miteinander und Voraussetzung, um Aufgaben zu bewältigen und gemeinsam Ziele zu erreichen.

Das gilt insbesondere für die Pflege. Pflegekräfte kommunizieren rund um die Uhr. Sie informieren, beraten, hören zu, beruhigen, klären auf, leiten an, dokumentieren und tauschen sich untereinander und mit anderen Berufsgruppen aus. Es gibt kaum eine Tätigkeit im Pflegebereich, die ohne Kommunikation auskommt. Professionelle Pflege ist vor allem Arbeit an und mit dem Menschen (Interaktionsarbeit) und sie erfolgt in Teamarbeit und in Zusammenarbeit mit anderen Professionen, wie Ärzt*innen und Therapeut*innen.

Pflegekräfte müssen in der Lage sein, mit verschiedenen Berufsgruppen und Pflegebedürftigen, also mit einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen und Charaktere, zu kommunizieren. Die Kommunikation mit Pflegebedürftigen gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben im Pflegealltag. Sie ermöglicht erst den Zugang zur Lebenswelt der Betroffenen und damit zu bedürfnisorientierter Pflege.

Kommunikation in der Pflege ist so alltäglich, dass es vielleicht nicht nötig erscheint, sich näher mit den Prozessen der Kommunikation zu beschäftigen. Aber nicht immer gelingt die Kommunikation zur Zufriedenheit der beteiligten Parteien. Die Zeit für Kommunikation und Gespräche ist begrenzt. Umso mehr kommt es auf eine gute Qualität der schriftlichen und mündlichen Kommunikation in der Pflege an, um Missverständnisse und Unmut zu verhindern. Die Qualität der Kommunikation bestimmt maßgeblich die Stimmung auf den Stationen oder Wohnbereichen und das Arbeitsklima. Jede*r Einzelne beeinflusst mit dem Kommunikationsverhalten die Qualität der Beziehungen der Menschen in seinem oder ihrem Umfeld mit.

Aufgrund der besonderen Bedeutung von Kommunikation in der Pflege ist in der Umsetzung eine hohe Professionalität gefragt. Diese setzt Wissen voraus, wie Kommunikation funktioniert, wo Fallstricke der zwischenmenschlichen Kommunikation liegen und wie sie vermieden werden können. Zudem sind Kenntnisse zu wichtigen Kommunikationskonzepten und die Fähigkeit diese Erkenntnisse in verschiedenen Anwendungsfeldern einzubringen, erforderlich. Im anstrengenden Alltagsgeschäft werden mitunter die Regeln für gelingende und gute Kommunikation vernachlässigt oder einige davon sind noch bzw. nicht mehr präsent.

 

Lernziele und Aufbau des Moduls Kommunikation

Wir laden Sie ein zu einer Entdeckungsreise in die Welt der Kommunikation, die speziell für die Arbeit in der Pflege und die Bedürfnisse Pflegender ausgerichtet ist. Ziel der Reise ist es, Ihre Kompetenzen für erfolgreiches Kommunizieren in der Pflege zu stärken. Steigen Sie ein. Lernen Sie Altbekanntes aus einer neuen Perspektive kennen, entdecken Sie Neues und lassen Sie sich inspirieren, für eine bessere Kommunikation in der Pflege.

Das Kommunikationsmodul umfasst zwei Teile. Der erste Teil – Einführung – dient der Auffrischung und Vertiefung rund um das Thema Kommunikation und stellt quasi die Reisebeschreibung dar. Der zweite Teil – Praxis – enthält Beispiele, Anregungen und Übungen zur Anwendung in der Praxis und füllt den Koffer mit Rüstzeug für Ihre Reisen – sprich Anwendungsfeldern der Kommunikation in und über die Pflege.

Zu den Reisebeschreibungen der zwei Etappen – der Unterkapitel im Einführungsteil – gibt es jeweils einen korrespondieren Praxisteil. Je nach Vorwissen und Interesse zur Auffrischung haben Sie die Möglichkeit, einzelne Etappen der Einführung im Schnelldurchlauf zurückzulegen oder sie zu überspringen und gleich die Angebote in den entsprechende Praxisteilen zur Überprüfung ihres Wissens, zur Reflexion und Verbesserung des Könnens zu nutzen.

Was erwartet Sie in den Unterkapiteln bzw. Reiseetappen?

Wir beginnen mit einem kurzen Einstieg mit dem Titel „Kommunikationswissen kompakt.“ Darauf baut das erste Unterkapitel auf unter dem Titel „Zentrale Formen der Kommunikation“. In dieser ersten Reiseetappe werden die Grundlagen, Unterscheidungsmerkmale von Kommunikation sowie das Wissen zu zentralen Kommunikationsformen und aufgefrischt. Sie lernen anhand von Beispielen verschiedene Kommunikationsformen und ihre Bedeutung kennen. Besonderes Augenmerk wird auf die Faktoren für gelungene zwischenmenschliche Kommunikation gelegt. Nach der ersten Etappe wissen Sie u.a., welche Fallstricke es bei der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt, dass nonverbale Kommunikation mehr umfasst als Körpersprache und die weit verbreitete Meinung, dass der Inhalt einer Nachricht im Vergleich zu den nonverbalen Signalen weniger bedeutsam sei, nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gilt.

Wenn Ihnen die Inhalte des Unterkapitels ausreichend vertraut vorkommen, können Sie die Probe aufs Exempel machen und zuerst den Test und die Aufgaben zum Kommunikationswissen im Praxisteil zur ersten Etappe machen. Hier gibt es zudem Reflexionsübungen zur Interpretation von Signalen der Körperhaltung, Gestik und Mimik sowie zur paraverbalen Kommunikation und Praxistipps.

Zum Lesen der erste Reiseetappe benötigen Sie ca. 45 Minuten und für den Praxisteil ca. 30 Minuten.

Im zweiten Unterkapitel werden Kommunikationsmodelle und Regeln guter Kommunikation aufgezeigt, zu denen im Praxisteil Anregungen zur Verbesserung ihrer Anwendung gegeben werden. Auch hier gibt es Reflexions- und Übungsaufgaben sowie hilfreiche Tipps und Links zur Vertiefung.

Die Bearbeitungszeit der zweiten Reisetappe umfasst ca. 45-50 Minuten.

Viel Erfolg und Spaß beim Lesen der Reisebeschreibung und der Erprobung der Materialen im Reisekoffer.

 

Kommunikationswissen kompakt

Das Wort Kommunikation leitet sich aus dem lateinischen Wort „communicatio“ ab, das übersetzt „Mitteilung“ oder „Unterredung“ heißt.

Viele denken bei Kommunikation zuerst an die menschliche Sprache, an gesprochene oder geschriebene Wörter und Sätze, mit deren Hilfe Informationen von einer Person an eine andere weitergegeben werden. Aber Kommunikation ist mehr als der Gebrauch von Sprache und in der Kommunikation werden nicht nur Sachinformationen übermittelt.

Im Lexikon von Brockhaus wird Kommunikation als „Austausch, Verständigung, Prozess der Übermittlung und Vermittlung von Information durch Ausdruck und Wahrnehmung von Zeichen aller Art (…)“ bezeichnet (Brockhaus, 1995, S.15).

Was sind also die Grundelemente der Kommunikation?

  • Kommunikation besteht aus Senden und Empfangen. Es braucht mindestens je eine*n Sender*in und Empfänger*in für Kommunikation.
  • Bei der Kommunikation werden bestimmte Bedeutungen und Inhalte (Nachrichten) mittels Zeichen oder Signalen übermittelt.
  • Schließlich braucht es mindestens einen Kanal, mit dem die Nachricht weitergegeben wird. Kommunikationskanäle sind die Übertragungswege, mit denen eine Nachricht von dem*der Sender*in zum*zur Empfänger*in gelangt. Sie stehen in enger Beziehung zu den Hauptkanälen unserer Wahrnehmung: Hören, Sehen und Fühlen über den Tastsinn.

Kommunikation ist ganz allgemein die Übertragung oder der Austausch von Nachrichten mittels Signalen oder Zeichen zwischen mindestens einem*einer Sender*in und Empfänger*in. Nachrichten stellen dabei eine zusammenfassende Bezeichnung für Informationen, Meinungen, Vorstellungen, Erfahrung sowie Botschaften und Gefühle dar.

Unterscheidungsmerkmale der Kommunikation

Anhand der Grundelemente der Kommunikation werden in der nächsten Abbildung überblicksartig Unterscheidungsmerkmale von Kommunikation aufgezeigt.

Kommunikation liegt im weiteren Sinne auch vor, wenn das Senden von Nachrichten nicht durch eine Person erfolgt. Im Straßenverkehr werden bspw. Nachrichten über Verkehrszeichen und Signalanlagen (Ampel, Bahnschranke) an die Verkehrsteilnehmer*innen übermittelt. Mit Büchern, Zeitschriften und Zeitungen werden ebenfalls Informationen und Botschaften übertragen. Kommunikation mit (potentiell) Pflegebedürftigen und Angehörigen kann ebenso über Informationsflyer oder -broschüren stattfinden sowie über die Web-Seiten von Pflegeeinrichtungen.

Bei der Nachrichtenübermittlung über eine nicht natürliche Person ist die Form der Kommunikation in der Regel einseitig und eine Rückmeldung von der Empfangsseite nicht vorgesehen.

Während Webseiten von Pflegeeinrichtungen lediglich eine Kontaktmöglichkeit anbieten, erlauben Facebook-Auftritte über die Kommentarfunktion eine Rückmeldung. Werden Videos eingebunden, ist die Übertragung mit Ton (akustisch) und mit bewegten Bildern (visuell) mehrkanalig.

Die Tatsache, dass Kommunikation einseitig erfolgen kann und keinen Austausch vorsieht, unterscheidet Kommunikation von Interaktion.

Interaktion ist wechselseitiges und aufeinander bezogenes Handeln von Personen oder Gruppen. Insofern ist Interaktion ein weiterer Begriff und Kommunikation Teil von Interaktion.

Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf die soziale bzw. zwischenmenschliche Kommunikation aufgrund des besonderen Stellenwerts in der Pflege. Für soziale Kommunikation wird auch der Begriff interpersonelle Kommunikation verwendet. Dieser Ausdruck verdeutlicht, dass es sich dabei immer um den Austausch von Nachrichten oder Botschaften zwischen zwei oder mehreren Personen handelt.

Es gibt folgende Unterscheidungsmerkmale von zwischenmenschlicher Kommunikation:

1) Die Übertragungswege: Also welche Kommunikationskanäle und ob ein- oder mehrere Kanäle genutzt werden. Der akustische Kanal basiert auf dem Hörsinn, der visuelle Kanal auf dem Sehsinn und der taktische Kanal auf dem Tastsinn.

E-Mails und Textnachrichten sind weitgehend auf die visuelle Übertragung beschränkt, neben der Schriftsprache werden zunehmend Emojis verwendet, um mit dem Text verbundene emotionale Botschaften zu übertragen oder zu unterstreichen. Nicht für jede*n und nicht alle Emojis sind dabei eindeutig zu verstehen.

Bei einem Telefongespräch beispielsweise mit Angehörigen einer zu pflegenden Person steht nur der akustische Kanal zur Verfügung. Daher ist besonders darauf zu achten, was und wie man etwas sagt.

Videotelefonie oder Videos basieren sowohl auf akustischer als auch visueller Übertragung von Nachrichten und Botschaften. Bei der Videotelefonie und Videokonferenzen kann (eingeschränkt) auch die Mimik und Gestik wahrgenommen werden. Filme und auch viele Videos übermitteln zudem die Körperhaltung und Position zu anderen Personen.

Der taktile Kommunikationskanal steht nur in Gesprächen von Angesicht zu Angesicht zur Verfügung. Eine beidseitige taktile Kommunikation ist beispielsweise die Begrüßung per Händedruck oder eine Umarmung, während das Antippen der Schulter überwiegend einseitig erfolgt.

2) Die Rollen der Kommunikationsteilnehmer*innen: Haben die Teilnehmer*innen nur eine Rolle, die des Sendenden bzw. des Empfangenden, oder nehmen sie beide Rollen aktiv ein? Je nach Aktivitätsgrad wird zwischen einseitiger und beidseitiger Kommunikation unterschieden.

Vorlesungen oder Vorträge sind überwiegend einseitige Kommunikationsformen und enthalten wenige dialogische Anteile, mitunter wird das Publikum durch rhetorische Fragen einbezogen. Zum Teil haben die Teilnehmenden am Ende Gelegenheit Fragen zu stellen oder Kommentare abzugeben. Informationsveranstaltungen und Beratungen in der Pflege sollten hingegen keine Einwegkommunikation sein, sondern als beidseitige Kommunikation – sprich als Dialog – gestaltet werden. Das gilt auch für Dienstübergaben, Mitarbeiter*innengespräche oder Teambesprechungen, die zwar einleitend mit einer Übermittlung von Informationen und Botschaften von einer Seite beginnen, woraufhin dann aber ein Dialog oder eine Diskussion folgen sollte.

3) Zeit des Sendens und Empfangens von Nachrichten: Wenn zwei Menschen zur gleichen Zeit miteinander kommunizieren spricht man von synchroner Kommunikation. Eine asynchrone Kommunikation liegt vor, wenn der Empfang und die Reaktion auf das Senden einer Nachricht zeitlich versetzt erfolgt.

Pflegeberichte sind beispielsweise eine asynchrone Kommunikationsform. Asynchrone Kommunikationsformen beruhen in der Regel auf der Schriftsprache und erfolgen nur über einen – den visuellen – Kanal. Eine präzise Beschreibung, die Missverständnisse vermeidet, ist besonders wichtig, da keine unmittelbare Rückfragemöglichkeit besteht. Bei den verkürzten Formen der schriftlichen Kommunikation wie E-Mail und Kurzmitteilung (SMS) kann es besonders leicht zu Fehldeutungen und Konfusion kommen. Auch hier entfällt für den Empfangenden die Chance, eine Bewertung der Nachricht auf mehreren Kanälen gegenzuchecken. Der Empfangende kann die gesendete Nachricht zu einem späteren Zeitpunkt lesen und später darauf antworten. Hingegen werden digitale Messenger-Dienste auch zur synchronen Kommunikation genutzt, auf eine Text- oder Sprachnachricht wird unmittelbar reagiert und wie bei einem ein Ping-Pong-Spiel Nachrichten ausgetauscht (Littlejohn & Foss, 2010, Romiszowski & Mason, 1996).

 

Das Sender-Empfänger-Modell*

Das Sender-Empfänger-Modell von Claude Shannon aus 1948 ist das erste Modell der Kommunikation, mit dem eine grundlegende Darstellung des Ablaufs der Kommunikation erfolgte. Es bildet Kommunikation einfach strukturiert mit seinen wesentlichen Kernelementen ab: Sender und Empfänger, Kodierung und Dekodierung von Nachrichten über Zeichen und Signale sowie Übertragung über einen Kanal (Shannon, 1948). In der nachfolgenden Abbildung wurde das Grundmodell auf die zwischenmenschliche Kommunikation übertragen.

(* da der Name dieses Modells in der Kommunikationswissenschaft als feststehender Begriff eingeführt ist, wird hier auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet)

Der*die Sender*in fasst Gedanken, Meinungen und Gefühle in Sprache und teilt diese unbewusst oder bewusst auch mit nichtsprachlichen Mitteln mit. Der*die Empfänger*in hört Wörter und Sätze und entschlüsselt die Bedeutung der Botschaft, indem er*sie auch die nichtsprachlichen Signale deutet. D.h. die Mitteilung erfolgt über sprachliche und nichtsprachliche Mittel.