Pflegerinnen und Pfleger sind gut ausgebildete, kompetente Fachkräfte, die in einem gesellschaftlich sehr wichtigen Bereich eine anspruchsvolle und herausfordernde Arbeit leisten: sie spielen eine zentrale Rolle für eine qualitativ gute Versorgung von Pflegebedürftigen und Kranken. Die Systemrelevanz der Pflege wurde durch Corona in der Öffentlichkeit besonders sichtbar. Der verantwortungsvolle und engagierte Einsatz von Pflegekräften für das Wohl von Kranken und Pflegebedürftigen hat kurze Zeit eine große gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. In der öffentlichen Wahrnehmung wird weiterhin die große und wachsende Bedeutung von Pflegekräften vor allem für die zunehmende Zahl pflegebedürftiger Menschen hervorgehoben. Kranken- und Altenpfleger*innen liegen im Berufe-Ranking auch weit vorn, denn sie gehören zu den helfenden Berufen, auf die Menschen angewiesen sind, wenn sie Probleme haben oder in Notsituationen geraten. Das geht aber nicht gleichermaßen mit einer Wertschätzung des Berufs einher – im Sinne des schätzen des Wertes der pflegerischen Kompetenzen und Professionalität, die für die Komplexität und das hohe Anspruchsniveau von Pflegearbeit erforderlich sind.
Die öffentliche Darstellung der Pflege in den Medien spielt für die Diskrepanz von Wert der Pflege und Wertschätzung des Pflegeberufs unbestritten eine große Rolle. Die Medienberichterstattung ist durch zwei Extreme geprägt: Idealisierung und Skandalberichterstattung. Da ist zum einen während der Corona-Pandemie von Superheld*innen die Rede, wie wertvoll und wie lobenswert es ist, wenn Menschen sich für andere aufopfern. Nur auf den ersten Blick sind solche Äußerungen wirklich wertschätzend. Von Heldinnen und Helden wird übermenschliches abverlangt, sie sollen bedingungslos und aufopfernd agieren, ihre Belange klaglos hinter die eines größeren Ziels stellen – der Bewältigung der Pandemie oder allgemein gut pflegen trotz Personalmangel. Auf der anderen Seite setzen Medien drastische Begriffe ein, wie „Pflegenotstand“, „Pflegekrise“ oder z.B. „Pflexit“, mit denen medial die hohe Zahl professioneller Pflegekräfte postuliert wird, die aus ihrem Beruf aussteigen. Durch die überwiegend skandalisierenden Überschriften und den Tenor der Berichterstattung wird mit Pflege ein negatives Bild assoziiert (Framing).
Eine sehr einseitige mediale Darstellung empfinden auch die Beschäftigten der Pflege selbst. Nur 10 % von mehr als 3.300 Befragten stimmen der Aussage zu, dass in der Öffentlichkeit ein realistisches Bild der Arbeit in der Pflege vermittelt wird. Über 80 % bemängeln, dass zu häufig negativ über die Arbeit in der Pflege und zu selten über die Vielfalt der Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsfelder berichtet wird. Rund 90 % sind der Meinung, dass in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt ist, welche Berufschancen und Karrierewege in der Pflege möglich sind (Isfort et al., 2022).
Es gibt eine große Diskrepanz zwischen der Fremd- und Selbstwahrnehmung des Pflegeberufs. Die Fremdwahrnehmung des Pflegeberufs ist durch Statements geprägt, wie:
Vereinfachende Stereotype werden als Entwertung wahrgenommen, wenn sie Klischees und Rollenbilder bedienen, mit denen sich professionell arbeitende Pfleger*innen nicht identifizieren. Fragt man Mitarbeiter*innen, dann ist die Pflege
Im Praxisteil gibt es zwei Übungen: eine zur Selbstreflektion der vielfältigen Facetten des Pflegeberufs sowie eine andere überschrieben mit der Frage „Welche Merkmale von Berufen treffen für den Pflegeberuf zu?“ zu den positiven und negativen Seiten des Berufs.
Die Professionalität der Pflegearbeit und die hierfür erforderlichen vielfältigen Kompetenzen verschwinden im Alltäglichen und erscheinen den Pfleger*innen mitunter selbst als selbstverständlich und nicht der Rede wert. Ein Grund kann sein, dass Pfleger*innen ihre Kompetenzen selbst unter den Scheffel stellen. Sprichwörter wie „Eigenlob stinkt“ und „Bescheidenheit ist eine Zier“ sind mitunter im Denken verankert und finden ihren Ausdruck in der Formulierung „Ich bin ja nur Pflegekraft“. Ein weiterer Grund ist, dass die Beschreibung, was alles den Pflegeberuf ausmacht und welche Kompetenzen hierfür erforderlich sind, nicht so einfach ist. Pflegerische Handlungen sind zumeist komplex. Hinter den sichtbaren, verrichtungsorientierten Tätigkeiten der direkten Pflege stecken zahlreiche unsichtbare Aspekte der indirekten Pflege. Eine Reihe von Pfleger*innen haben Schwierigkeiten, die Kompetenzen, auf denen ihr professionelles Handeln beruht, in Worte zu fassen.
Nach Befragungen im Rahmen des KoWeP-Projekts reflektieren dies Fachkräfte und Lehrende durchaus selbstkritisch und sehen bezüglich der Selbstdarstellung der Professionalität des Berufs Fortbildungsbedarf. In Diskussionsrunden mit Expert*innen wurde auf den Balanceakt bzw. die Dilemmasituation bei der Kommunikation mit zu pflegenden Menschen und deren Angehörigen verwiesen. Um pflegerische Maßnahmen möglichst einfach sowie verständlich zu erläutern, werden Fachbegriffe vermieden und diese in Alltagssprache übersetzt. Durch diese vereinfachte Form der Versprachlichung wird der Eindruck erweckt, pflegerische Arbeit würde vor allem aus einfachen pflegerischen Handgriffen und Tätigkeiten bei der Grundversorgung bestehen und nur ein geringes Maß an Expertenwissen und -können erfordern. Dies wird allerdings in keinerlei Weise der Sicherstellung von Pflegequalität durch eine evidenzbasierte Pflegeplanung, Maßnahmenumsetzung und Evaluation entsprechend festgelegter Richtlinien (Standards) sowie der besonderen Herausforderungen von Pflege als Interaktions- und Beziehungsarbeit und des professionellen Handelns in unvorhersehbaren Situationen gerecht.
Kommunikation in der Pflege – sowohl mit den pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen als auch mit den zahlreichen kooperierenden Berufsgruppen sowie für die Organisation und Abstimmung der Pflegearbeit – wird häufig von Pfleger*innen selbst nicht als „wirkliche“ Arbeit angesehen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass der zentrale Kern der Interaktions- und Beziehungsarbeit in der Außendarstellung kaum vorkommt, die anspruchsvollen Kompetenzen hierfür nicht wahrgenommen und entsprechend wertgeschätzt werden.
Vor dem Hintergrund der im direkten Kontakt mit zu Pflegenden und deren Angehörigen durchaus bewährten vereinfachenden Kommunikationspraxis fällt Pflegekräften eine selbstbewusste und kompetenzorientierte Außendarstellung schwer. Dieser Aspekt kommt in der Aus- und Weiterbildung bislang zu kurz.
Zum Beispiel nehmen Mediziner*innen Pfleger*innen oft nicht als gleichwertige Kommunikationspartner*innen wahr. Dies liegt sowohl am ärztlichen Selbstverständnis – sie würden die eigentlich wichtigen Tätigkeiten an Patient*innen durchführen – als auch an ihrem Verständnis von Pflegearbeit, die vielfach nicht als eigenständige und anspruchsvolle Arbeit, sondern lediglich als eine Art „Hintergrunddienst“ angesehen wird. Gründe für diese Missverständnisse liegen allerdings auch auf der pflegerischen Seite. Denn solange Pfleger*innen Schwierigkeiten haben, die Komplexität und fachliche Basis pflegerische Tätigkeiten in Worte zu fassen, bleibt die Professionalität ihrer Arbeit weitgehend unsichtbar und ihr Beitrag zur Gesunderhaltung oder Genesung von Patient*innen wird nicht deutlich. Ein umgangssprachlich verstümmelter Pflegejargon auf Station, eine erzählende, stimmungsvolle und detailreiche Mitteilungsform in Alltagssprache oder die falsche Anwendung und Aussprache von medizinischen Fachtermini vermitteln einen wenig souveränen Eindruck.
Auch die Umgangsformen untereinander – von einigen Auszubildenden, Kolleg*innen und Vorgesetzten – sind mitunter wenig respektvoll und wertschätzend. Zudem erleben zahlreiche Pflegekräfte Respektlosigkeit und Aggression von Pflegeklient*innen und Angehörigen. Laut einer Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege haben fast 80 % von insgesamt fast 2.000 befragten Pflegekräften in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung verbale Attacken oder übergriffiges Verhalten erlebt. Rund ein Drittel fühlt sich dadurch stark belastet. Beschäftigte in der stationären Altenpflege waren lauf Umfrage am stärksten betroffen (Vaupel, 2021).
Im Praxisteil stehen Artikel (bzw. Auszüge) der KoWeP-Befragung als PDF zum Ausdrucken und Nachlesen zur Verfügung.
Des Weiteren finden Sie dort Auszüge aus Analysen zur Medienberichterstattung als PDF zum Ausdrucken oder alternativ einen Link zum Videoclip „Der Deutscher Pflegetag Journalisten-Talk: Das Bild der Pflege in den Medien“ (Deutscher Pflegetag, 2021). Für besonders Interessierte ist ein Link angeführt zu einer aktuellen Publikation aus dem Jahr 2022 „Selbstimage und öffentliches Image des Pflegeberufs: eine quantitative und qualitative Querschnittsstudie“ (Julier-Abgottspon et al., 2022)
Die Metapher der Medaille, auf deren beiden Seiten die Begriffe „Kommunikation“ und „Kompetenz“ nur in unterschiedlicher Reihenfolge stehen, soll den wechselseitigen Zusammenhang zum Ausdruck bringen. Kommunikationskompetenz in der Pflege ist mehr als eine persönliche bzw. soziale Kompetenz, sondern stellt vielmehr selbst eine entscheidende pflegerische Kompetenz dar. Denn Pflege ist vor allem Interaktions- und Beziehungsarbeit und diese beruht maßgeblich auf einer kompetenten und professionellen Kommunikation mit pflegebedürftigen und/oder kranken Menschen.
Es braucht fachliches Hintergrundwissen, beispielsweise zu Demenz, zu Aphasie oder psychischen Erkrankungen, für eine gelingende Kommunikation mit den betroffenen Menschen, die Beziehungsaufbau und -pflege sowie Bereitschaft zur Mitwirkung am Pflegeprozess ermöglicht. Generell basiert professionelle Kommunikation in der Pflege – sei es bei der Information und Beratung von Angehörigen oder im direkten Kontakt – immer auf Fachkompetenzen. So fließen bei der Kommunikation mit kranken oder pflegebedürftigen Menschen immer auch Kenntnissen des Krankenzustands bzw. Pflegebedarfs ein: inwieweit sind bestimmte selbstständige Handlungen hinderlich oder förderlich bzw. noch teilweise durch pflegerische Unterstützung möglich. Des Weiteren ist die adäquate kommunikative Vermittlung erforderlich, die auf Perspektivenübernahme und Empathie basiert, also auf dem, was im engeren Sinne unter Kommunikationskompetenz verstanden wird.
Anders ausgedrückt sind neben Kompetenzen zur Kommunikation auch pflegefachliche Kompetenzen unabdingbar für den Kommunikationsprozess. Das gilt übrigens gleichermaßen für eine kompetenzorientierte Kommunikation über die Pflege – sei es mit Kooperationspartner*innen oder in der Außendarstellung.
Kompetenzorientierte Kommunikation bedeutet, die Grundsätze für gelingende Kommunikation anzuwenden. Neben den Regeln für richtiges Verstehen ist hierfür vor allem eine auf die Situation und die Adressat*innen angepasste Sprache von besonderer Bedeutung. Neben dem Einsatz der richtigen Sprache hat, aufgrund der Macht der Sprache, die Wahl der richtigen Worte einen großen Stellenwert sowohl bei der nach innen als auch bei der nach außen gerichteten Kommunikation.
Kompetenzkommunikation ist die Fähigkeit, die Professionalität des eigenen beruflichen Handelns situationsangepasst gegenüber unterschiedlichen Kommunikationspartner*innen kompetent formulieren zu können.
Da so oft von „Kompetenz“ die Rede ist, ist im Praxisteil eine Merkkarte zum Begriff Kompetenz und den vier Handlungskompetenzen als PDF zum Ausdrucken hinterlegt.
Um den Aufbau dieses Schulungskonzepts zu veranschaulichen, wurde die Metapher eines Leuchtturmes herangezogen. Aufgabe eines Leuchtturmes ist es, in verschiedene Richtungen auszustrahlen. Übersetzt auf das Thema der Kompetenzkommunikation meint das: Pflegekräfte sollen durch Stärkung einer kompetenzorientierten Kommunikation in und über Pflege wie ein Leuchtturm in verschiedene Richtungen ausstrahlen:
Bei der Darstellung der Ebenen der Kompetenzkommunikation und Wertschätzung wurde die Ebene des Arbeitsalltages differenziert und eine Ebene hinzugefügt. Denn auch auf der persönlichen Ebene gibt es eine Wechselwirkung zwischen der Art und Weise der Kommunikation mit sich selbst (dem inneren Dialog) und dem Selbstwert, der Einfluss auf die Selbstdarstellung hat. Unsere häufigsten Gesprächspartner*innen sind wir selbst. Die Zwiesprache im Kopf begleitet uns vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Respekt und Wertschätzung fängt bei jedem selbst an. Wir „füttern“ unseren Selbstwert durch unsere Selbstgespräche. Nur wer sich selbst wertschätzt, kann sich überzeugend so darstellen, dass er Wertschätzung verdient. Überprüfen Sie Ihren inneren Dialog – machen Sie sich selbst nieder und klein oder reden Sie mitfühlend und aufmunternd mit sich selbst, wie Sie es bei einem*einer guten Freund*in tun würden? Vergleiche mit einem überhöhten Idealbild („So würde ich gern sein.“) und der Vergleich mit anderen („Ich bin weniger …“) stehen einem gesunden Selbstwertgefühl im Wege und sollten vermieden werden. Besser ist zu schauen, was Sie bereits erreicht haben und wo Ihre Stärken liegen. Wenn etwas nicht so geklappt hat, sollten Sie auf Generalisierungen, wie „immer“, „nie“ oder „jedes Mal“ verzichten und dafür in Ihre Aussage das kleine Wort „noch“ einbinden. „Heute hat der letzte Teil noch nicht so gut geklappt, gut gelungen ist der erste Teil und ich schaffe es, dass ich den Rest auch besser hinbekomme.“
Im weiteren Verlauf wird der Fokus jedoch auf den anderen Ebenen bzw. Strahlen des Leuchtturms liegen.
Im Praxisteil gibt es eine Übung zur Bewertung von Kommunikation und Wertschätzung in Hinblick auf die verschiedenen Kommunikationspartner*innen im Berufsalltag.