Regeln guter Kommunikation

Jede Äußerung eines Menschen (verbal oder nonverbal) ist eine verschlüsselte (codierte) Nachricht oder Botschaft. Um die Äußerung eines Menschen zu verstehen, müssen wir diese entschlüsseln (decodieren).

Letztlich steckt hinter Kommunikation ein komplizierter Prozess, der eine Reihe von Fallstricken enthält. Das, was wir mitteilen wollen, muss angemessen sprachlich mit Wörtern und Sätzen ausgedrückt werden. Zudem ist es wichtig, wie wir etwas sagen, damit es möglichst richtig verstanden wird. Wenn erst eine Beziehung aufgebaut werden muss oder belastetet ist, ist die Entschlüsselung auf der Empfangsseite fehleranfälliger. Beschäftigte in der Pflegebranche erleben Kommunikation mitunter als eine Art Labyrinth, das so manches Mal in einer frustrierenden Sackgasse endet.

In das Gespräch mit einer konfrontativen, negativen Stimmung gehen, „Nicht-ausreden-Lassen“, „nicht zuhören“, nur „Auf-sich-selbst-konzentriert-Sein“ und seine eigene Position zu verteidigen, anstatt die Perspektive zu wechseln, sind Beispiele, die in die Sackgasse führen. Es gibt kein Rezept für gelingende Kommunikation. Die Kommunikationssituationen und die beteiligten Menschen sind dazu zu verschieden. Aber es gibt Grundregeln, die den richtigen Weg durch das Labyrinth weisen können. Wer diese Regeln beachtet, wird sich seltener verirren oder bei Bedarf schneller einen Ausweg aus der vermeintlichen Sackgasse finden.

Im Praxisteil finden Sie hierzu eine Illustration zu Sackgassen der Kommunikation und wie man sie vermeidet.

Zur Verdeutlichung von Problemen im Kommunikationsprozess wird gern ein Zitat herangezogenen, dessen Ursprung dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz zugesprochen wird: „Gedacht ist nicht gesagt, gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden, einverstanden ist nicht angewendet, angewendet ist noch lange nicht beibehalten.“ Davon ausgehend lassen sich Regeln für gute Kommunikation ableiten.

Die vorliegende Regelsammlung ist keine abschließende Aufzählung, sondern eine Auswahl wichtiger Punkte für gute Kommunikation.

 

Gestalten Sie zwischenmenschliche Kommunikation als Dialog.

Teilen Sie Ihr aufrichtiges Interesse auch nonverbal mit und hören Sie aktiv zu.

Es gibt viele Gründe, warum Kommunikation misslingt. Aber kaum etwas stört die Kommunikation mehr oder macht sie fast unmöglich, als die Unaufmerksamkeit des*der Gesprächspartner*in. Interesse und Aufmerksamkeit wird durch eine zugewandte Körperhaltung und Blickkontakt zum Ausdruck gebracht. Durch ein zustimmendes Nicken oder gelegentliche Laute, wie ein „Mhm“ oder „Ach“ sowie Nachfragen signalisieren wir, dass wir tatsächlich zuhören. Bleiben Reaktionen aus, schweift der Blick umher oder wird nebenbei auf das Handy geschaut, dann beeinträchtig dies die Kommunikation in hohem Maße. Seien Sie aufmerksam und beobachten Sie körpersprachliche Reaktionen des Gegenübers, wenn Sie sprechen. Bleiben Sie bei der Sache und konzentriert, wenn der*die andere redet. Wird der Eindruck erweckt, nicht richtig zuzuhören, wird der*die Gesprächspartner*in verunsichert und er*sie kann sich schlechter ausdrücken. Manche trauen sich dann gar nichts mehr zu sagen, andere reden länger als üblich.

„Die Natur hat uns nur einen Mund, aber zwei Ohren gegeben, was darauf hindeutet, dass wir weniger sprechen und mehr zuhören sollten." (Zenon von Elea (Der Ältere) – griechischer Philosoph, 5. Jh.v.Chr). Oft ist der Kopf bereits mit der Antwort beschäftigt, während der*die andere redet. Aktives Zuhören ist der Schlüssel zu erfolgreichen Gesprächen. Damit wird nicht nur Achtung vor dem*der anderen ausgedrückt, es macht einen echten Austausch – Dialog – erst möglich! Aktives Zuhören beginnt mit einer Haltung – dem Wunsch zu verstehen. 

Zu den Techniken des aktiven Zuhörens gehören:

  • Paraphrasieren: Die Aussage mit eigenen Worten umschreiben.
  • Zusammenfassen: Das Gehörte kurz zusammenfassen.
  • Verbalisieren: Die Gefühle des Gegenübers spiegeln.
  • Nachfragen: Nach weiteren Details oder Erwartungen fragen.
  • Unklarheiten beseitigen: Nicht Verstandenes noch einmal nachfragen.
  • Weiterführen: Anreize zur Fortführung der Unterhaltung schaffen.
  • Abwägen: Herausfinden, worauf der*die Gesprächspartner*in Wert legt (Rogers, 1985)

 

Aktives Zuhören nach Carl Rogers

In diesem Video werden die Techniken und die Regeln des aktiven Zuhörens gezeigt.

Im Praxisteil gibt es die Möglichkeit, Ihr Wissen zu Kriterien für aktives Zuhören zu überprüfen und die Umsetzung praktisch zu üben.

Achten Sie auf die Körpersprache und die Übereinstimmung körpersprachlicher Signale und sprachlicher Äußerungen.

Eine aufrechte feste Körperposition, das Kinn gerade oder leicht geneigt, Augenkontakt sowie eine offene Haltung und einen freundlichen Gesichtsausdruck sind Türöffner für eine gute Kommunikation.

Menschen können keine Gedanken lesen und das ist vielleicht auch gut so. Es ist auch nicht gut, jeden Gedanken gleich auszusprechen und etwas Unüberlegtes zu sagen. Menschen „lesen“ bewusst oder unbewusst aber die Sprache des Körpers. Wenn wir uns verständigen wollen, müssen wir uns sprachlich angemessen mitteilen und sollten uns mit möglichst kongruenten nonverbalen Mitteln ausdrücken. Die Übereinstimmung von verbaler Kommunikation (der Inhalt einer sprachlichen Äußerung) und nonverbalen Signalen (Mimik, Gestik, Körperhaltung) ist sehr wichtig dafür, damit Botschaften eindeutig entschlüsselt werden können. Die Aussage „Mir geht es gut“ mit einem heruntergezogenen Mundwinkel (Mimik), hängender Schulter (Körperhaltung) oder einer wegwerfenden Handbewegung (Gestik) macht es dem Gegenüber schwer, die Information des*der anderen zu verstehen.

Bekanntlich entscheiden Menschen innerhalb eines kurzen Augenblicks – innerhalb einer Zehntelsekunde über Sympathie oder Antipathie. Sie achten dabei vor allem auf Signale der Körpersprache, ob der*die andere uns freundlich oder feindlich gesinnt ist. Körperhaltung und Gesten, der Blick der Augen und der Gesichtsausdruck entscheiden, wie sympathische und vertrauenswürdig das Gegenüber wirkt. Ein fester Händedruck zur Begrüßung, ein nettes Lächeln, vielleicht auch noch ein ehrliches Kompliment, schon fühlt sich Ihr Gegenüber wohl und zerstreut mögliche negative Vorurteile unbewusst. Bleiben Sie jedoch authentisch, denn gespieltes Einschmeicheln wird schnell wahrgenommen und wirkt sich negativ auf den ersten Eindruck aus. Versuchen Sie von Anfang an mit einer offenen und selbstbewussten Körpersprache zu punkten. Die Ausstrahlung beeinflusst „wie kompetent man den*die andere*n einschätzt.“ (Jimenez, 2013).

Welche Gesten und wie viele beim Sprechen eingesetzt werden, beeinflusst ebenfalls, wie Sie vom Gegenüber wahrgenommen werden. Wildes Gestikulieren verwirrt und lenkt ab, ein erhobener Zeigefinger oder eine wegwerfende Handbewegung werden als Geringschätzung empfunden. Vor allem wenn wir mit unserer Mimik, Gestik, Körperhaltung und Bewegung Botschaften vermitteln, die unseren Worten widersprechen, wirken die Körpersignale stärker. In einer körperlichen Abwehrhaltung, zum Beispiel mit verschränkten Armen, kann ich nicht gleichzeitig jemandem beipflichten.

Im Praxisteil gibt es Übungen zur Interpretation von typischen Körperhaltungen, Gesten und mimischen Ausdrucksformen.

Deutliche Aussprache und korrekte Betonung sind Grundvoraussetzungen, um im wortwörtlichen Sinne verstanden zu werden.

Alle Silben und Endungen sowie Wörter getrennt voneinander aussprechen.

Wenn wir etwas sagen, ist nicht sicher, dass unser Gegenüber dies auch hört. Nuscheln, das „Verschlucken“ von Silben oder Weglassen von Wortendungen, falsche Betonung von Wörtern oder Klangfärbungen bei Dialekten können Verständnisschwierigkeiten hervorrufen. Nicht nur beim Singen auch beim Sprechen ist es besser, den Mund richtig aufzumachen. Zu einer guten Haltung, die die Atemwege offenhält, sollte der Rücken gerade und die Schultern nach hinten sowie das Kinn leicht angehoben sein. Die Hand gehört beim Reden nicht vor den Mund. Undeutliches Sprechen deutet auf Unsicherheit oder mangelnden Äußerungswillen hin und beinträchtig das Zuhören. Der*die Zuhörer*in ist gezwungen, sehr genau hinzuhören. Das ist auf die Dauer sehr anstrengend und kann zu Verärgerung führen.

In der deutschen Sprache gibt eine Reihe von ähnlich klingenden Wörtern, wie z.B. Lied – Lid, Rad – Rat. Bei diesen Wörtern, kommt es besonders auf die richtige Artikulation der Laute an, um zu verstehen, was gemeint ist. Auch unterscheidet sich die Bedeutung eines Wortes nach der Betonung oder Dehnung von Lauten oder Silben: Komma – Koma, Saat – satt, lehren – leeren. Werden Wörter falsch betont ausgesprochen, ist die Entschlüsselung der Bedeutung sehr schwierig und kann zu Missverständnissen führen. Insbesondere Nicht-Muttersprachler*innen brauchen bei pflegespezifischem Spracherwerb Unterstützung. Bei einer vorherigen Absprache, die fehlerhafte Aussprache ohne Anwesenheit Dritter anzusprechen und zu korrigieren, können solche Unterstützungen auch im Arbeitsalltag erfolgen.

 

Auf die Art und Weise des Sprechens achten.

Mit einer angenehmen Lautstärke, in einem angemessenen Tempo und einer freundlichen Stimme sowie mit Wechsel in der Sprachmelodie sprechen.

Unsere Stimmung beeinflusst die Stimme und umgekehrt: mit der Stimme machen wir Stimmung. Die eigene Stimmung schlägt sich auch vermittelt über die Körperspannung in der Stimme nieder. Bei einem niedergeschlagenen oder ängstlichen Menschen ist die Stimme meist schwach und kraftlos. Die Körperspannung fehlt und darum haben auch die Stimmlippen weniger Spannkraft. Bei Unsicherheit oder Ärger ist der Körper oft verspannt und hört sich die Stimme oft gepresst an. Anderes verhält es sich bei einer fröhlichen und selbstsicheren Person: Die gute Laune und Selbstsicherheit versetzt den Körper in eine leichte Spannung, was die Atmung tiefer macht und Druck auf die Stimmlippen ausübt. In der Folge hört sich die Stimme klar und sicher an. Es lohnt sich daher, seine Körperspannung wahrzunehmen und möglichst zu korrigieren, um mit der Stimme die richtigen Akzente zu setzen (Bazil, Bentele, 2001).

Das Heben und Senken der Stimme sollte mit den inhaltlichen Absichten übereinstimmen. Achten Sie darauf, dass sich Ihre Stimme bei Fragen am Ende des Satzes hebt. Bei Aufforderungen hingegen sollte sie am Ende leicht sinken. Und bei neutralen Feststellungen sollte die Tonalität weitgehend gleichbleiben.

Mit Sprachmelodie wird die spezifische Gestaltung der Tonhöhenbewegung beim Sprechen bezeichnet. Dazu gehört ein Wechsel der Stimmmodulation (tiefe bis hohe Stimme) und eine angemessene emotionale Färbung der Stimme entsprechend der sprachlichen Aussage. Eintöniges oder monotones Sprechen – mit einem gleichförmigen und wenig variablen Stimmklang – ist für Einschlafgeschichten gut. In anderen Fällen wird diese Sprechweise als Unwille, Langeweile oder Desinteresse interpretiert. Ein melodischer Stimmklang ist flexibel und variabel. Abwechslung erhöht die Aufmerksamkeit und das Gesagte bleibt besser in Erinnerung.

Des Weiteren sind eine angemessene Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit wichtig, um gut verstanden zu werden. Wichtige Aussagen werden meist mit mehr Nachdruck und mit größerer Lautstärke gesprochen.

Im Umgang mit alten Menschen neigen manche dazu, mit einer überlauten Stimme zu reden. Das ist bei Menschen mit Hörbeinträchtigen ohne Hörgerät vielleicht angebracht, aber sonst nicht nötig und hilfreich. Viel wichtiger ist, deutlich und vor allem langsam zu sprechen und keine Wortketten aneinanderzureihen.

Nehmen Sie sich Zeit beim Sprechen. Vielen Menschen kommt es so vor, als sprächen sie zu langsam. Das Gegenteil kommt weitaus häufiger vor. Hören Sie sich eine Sprachaufnahme an oder fragen Sie in Ihrem Umfeld nach, ob sie übermäßig laut und schnell oder sehr leise und langsam wahrgenommen werden. Gönnen Sie sich und den Zuhörer*innen Pausen zwischen den Sätzen. Das hilft Ihnen, Informationen in einer logischen und nachvollziehbaren Reihenfolge zu erzählen, und vor allem hilft es den Zuhörenden. Sie wissen, was Sie sagen wollen bzw. Sie sollten es wissen. Beim Zuhören muss das Gesagte erst verstanden werden. Um die Botschaft zu verstehen, muss die Sprache im Gehirn verarbeiten werden. Schnellredner*innen be- bzw. verhindern den Verarbeitungsprozess von Sprache. Von dem Gesagten bleiben nur Bruchstücke haften und es kommt eher zu Missverständnissen.

 

Grundsätze der Grammatik, Rechtschreibung und des Satzbaus beachten.

Vermeiden Sie Zwischen- und Nebensätze. Treffen Sie in einem Satz eine Aussage.  

Um Missverständnisse zu vermeiden, sind die Regeln der Grammatik und des Satzbaues sowie die Rechtschreibregeln zu beachten. Bei groben oder vielen Fehlern wird der- oder diejenige zudem als wenig kompetent wahrgenommen.

Bei kleinen Fehlern, die sich in der Alltagssprache eingeschlichen haben, wird eine Aussage in der Regel verstanden. So wird nicht selten „als“ und „wie“ nicht richtig oder gleich in Kombination verwendet oder „weil“ und „denn“ bei Haupt- und Nebensätzen nicht richtig genutzt. Kennen Sie diese Regeln?

Im Praxisteil finden Sie Links zur Überprüfung Ihrer Kenntnisse, Tipps zur Vermeidung der häufigsten Fehler und Sprachlernmaterialien speziell ausgerichtet für die Pflege für Nichtmuttersprachler*innen.

Kurz und bündig sowie strukturiert und nachvollziehbar sprechen.

Vermeiden Sie Gedankensprünge. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche. Verzichten Sie auf Floskeln und Füllwörter.

„In der Kürze liegt die Würze.“ Das Sprichwort von William Shakespeare besagt, dass eine kurze und knappe Formulierung besser verständlich ist, als eine lange und weitschweifige. Bandwurmformulierungen ermüden unsere Gesprächspartner*innen. Bei langen Schachtelsätzen fällt das Zuhören und vor allem das Verstehen schwer. Floskeln und Füllwörter tragen nicht zum Verständnis des Inhaltes bei, sondern verwässern oder entkräften das, was ausgedrückt werden soll.

Eine Liste entbehrlicher Füllwörter und Floskeln finden Sie im Praxisteil.

Schwierig werden das Zuhören und Verstehen auch dann, wenn im Gespräch hin und her gesprungen wird. Daher ist es wichtig, die eigenen Gedanken zu ordnen. Nur wenn in den eigenen Gedanken Ordnung herrscht, ergibt das Gesprochene Sinn. Der Gesprächsablauf sollte in sich gegliedert sein und einen roten Faden erkennen lassen.

Die Gruppe um Schulz von Thun hat am Hamburger Psychologischen Institut das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ entwickelt. Resultat ihrer Arbeit waren vier Komponenten, die für die Verständlichkeit eines Textes verantwortlich sind:

  1. Einfachheit (Gegenteil: Kompliziertheit)
  2. Gliederung – Ordnung (Gegenteil: Unübersichtlichkeit, Zusammenhanglosigkeit)
  3. Kürze – Prägnanz (Gegenteil: Weitschweifigkeit)
  4. Zusätzliche Stimulanz (Gegenteil: Keine zusätzliche Stimulanz) (Langer, Schulz von Thun, Tausch, 2015).

Einfach ausgedrückt, geht es bei Stimulanz darum, abstrakte Informationen konkret und anschaulich zu machen. 

Sprechen Sie in vollständigen Sätzen. Achten Sie auf einen einfachen Satzbau. Vermeiden Sie Zwischen- und Nebensätze. Mehr als zwei Kommas im Satz signalisieren: „Jetzt wird’s kompliziert!“. Treffen Sie eine Aussage pro Satz. Verwenden Sie maximal 14 Wörter pro Satz. Variieren Sie die Satzlänge, ohne diese Grenze zu überschreiten.

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer formulierte einst bissig: „Viele Worte zu machen, um wenige Gedanken mitzuteilen, ist überall das untrügliche Zeichen von Mittelmäßigkeit.“ In der Pflege ist es aufgrund des Personal- und Zeitmangels oft pure Notwendigkeit, sich kurz und dabei präzise auszudrücken. Die Reduktion auf das Wesentliche und eine verständliche Darstellung setzt hohe Fachlichkeit und Kommunikationskompetenz voraus (Schopenhauer, 1851).

 

Direkt und eindeutig ausdrücken.

Sachverhalte und Situationen präzise (genau) beschreiben.

Viele Menschen gehen nachlässig mit Sprache um – mitunter selbst Redakteure. Da heißt es: „Fünfköpfiger Familienvater hat in der Lotterie gewonnen!“. Hat der Familienvater fünf Köpfe? Nein, er ist Vater einer fünfköpfigen Familie.

Solche sprachlichen Verkürzungen gibt es auch in der Pflege: „Ich mache noch schnell die Medi!“ – gemeint sind die Medikamente. Die Herstellung ist dabei wahrscheinlich nicht gemeint, sondern die Zusammenstellung der Medikamente der nächsten Woche für die Patient*innen. Der Pfleger Kevin sagt: „Ich muss die aus der 1 noch fertig machen fürs Essen“. Eine Reihe von Missverständnissen wäre denkbar? Wer ist „die“? Sind die Tabletts der Station 1 oder vielleicht die Bewohner*innen gemeint. Was heißt „fertig machen?“– Will Kevin sie „runterputzen“ im Sinne von schimpfen? Gegessen werden sollen sie ja wohl nicht! Wahrscheinlich ist all dies nicht gemeint. Insider wissen vermutlich, aber auch nicht immer, was im Detail gemeint ist. Missverständnisse werden vermieden, wenn Sachverhalte und Situationen präzise – also genau im Sinne von treffend beschrieben werden. Das ist besonders wichtig bei der schriftlichen Kommunikation, also z.B. bei Pflegeberichten und Übergabeprotokollen, da es keine direkten Rückfragemöglichkeiten gibt.

Mitunter stimmt der Sprachausdruck nicht damit überein, was wir eigentlich wollen. So wird für Fragen oder Anweisungen eine indirektere Ausdrucksweise verwendet, um sie höflicher zu gestalten. Das kann manchmal auch schief gehen: „Könntest du mir den Keks geben?” “Ja, das könnte ich.”, antwortet meine Freundin, als sie sich ihn schnappt und selber isst.

Es ist vielfach besser, Nachrichten oder Botschaften direkt und eindeutig auszudrücken. Wenn die volle Aufmerksamkeit der Auszubildenden wichtig ist, sagen Sie statt: „Könntet ihr mit dem Quatschen aufhören?“ lieber direkt „Hört bitte mit dem Quatschen auf und genau zu!“ Statt der umständlichen Formulierung „Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Oberkörper frei zu machen“, wäre die direkte Aufforderung „Machen Sie bitte den Oberkörper frei” besser und ebenso freundlich.  

 

Positive Formulierungen nutzen.

Verallgemeinerungen vermeiden. Vorwürfe in Wünsche umformulieren.

Vermeiden Sie Verneinungen und Passivkonstruktionen. Verneinungen werden schwerer verstanden. Statt: „Es ist nicht verboten, nach 20 Uhr noch spazieren zu gehen.“ Besser: „Sie dürfen nach 20 Uhr noch spazieren gehen.“

Zur Unterscheidung von Passiv- und Aktivaussagen ein kleines Beispiel. Passiv: „Herr Müller wurde von Pfleger Adam notfallmäßig versorgt. Dann wurde Herr Müller von den Sanitätern ins Krankenhaus gefahren.“ Aktiv wäre: „Pfleger Adam versorgte Herrn Müller notfallmäßig. Die Sanitäter fuhren Herrn Müller dann ins Krankenhaus". Allgemeinen ist das „Aktiv“ besser, weil es knapper ist, schlagkräftiger wirkt und die Verantwortung dorthin legt, wo sie hingehört.

Negatives ist leicht gesagt! Für viele Menschen ist es einfach zu sagen, was sie nicht möchten oder was ihnen missfällt. Und Menschen benutzen im Zusammenhang mit Problemen, Fehlern und Schwierigkeiten oft Generalisierungen (Verallgemeinerungen), wie „immer“ oder „nie“. Die Problematik, die daraus entsteht, ist, dass das Problem riesig und allgegenwärtig erscheint. Man ist „immer“ gestresst oder es gibt unter den Kolleg*innen „nie“ Einigkeit, wenn ich etwas aufschreibe, sind „immer“ Fehler enthalten. Fragen Sie sich selbst, ob es wirklich „immer“ so ist. Reduzieren Sie das Problem auf die tatsächliche Größe. Sprechen Sie über Ihre Schwächen und wahrgenommenen Probleme bei Anderen eher in der Vergangenheitsform und kombinieren Sie diese mit der Formulierung „noch nicht“. Durch Ihre Wortwahl signalisieren Sie, dass Sie sich und Ihrem Gegenüber zutrauen, Aspekte, die bisher noch nicht so gut geklappt haben, in Zukunft besser zu bewältigen.

Hinter jedem Vorwurf steckt ein Wunsch! Statt diesen direkt zu kommunizieren, wird nicht selten mit drastischen Worten und in Form von Du-Aussagen scharf kritisiert. „Du hast schon wieder …“, „Nie kannst Du …“, „Das ist wieder typisch, dass Du …“. Vorwürfe gepaart mit Verallgemeinerungen zählen zu den größten Kommunikationskillern. Vorwürfe sind Gift für die Kommunikation und hinderlich, gemeinsam eine Lösung für ein Problem zu finden. Die Anwendung der sogenannten VW-Regel ist vor allem bei Konflikten und Auseinandersetzungen hilfreich. Die VW-Regel besagt, einen Vorwurf in einen Wunsch umzuformulieren. Sie greift das Kommunikationskonzept der gewaltfreien Kommunikation auf (Prior, 2002).

Manchmal kann Kritik angebracht und gerechtfertigt sein. Kritisieren Sie das Verhalten und nicht die Person. Machen Sie keinen Rundumschlag, sondern benennen Sie konkret was Ihnen warum missfällt und welche Gefühle das bei Ihnen auslöst. Die Erklärung, wie ein Verhalten auf Sie wirkt, ist hilfreich damit Ihr Gegenüber den Gefühlsausbrauch richtig einordnen und künftig berücksichtigen kann, was Triggerpunkte sind? Sagen Sie, was Sie sich stattdessen wünschen – nicht allgemein („Ich wünsche mir als Alleinerziehende mehr Rücksichtnahme.“) sondern „Ich wünsche mir, dass Du pünktlich zur Dienstübergabe kommst, damit ich rechtzeitig mein Kind aus dem Kindergarten abholen kann.“  

 

Sprache dem Wortschatz des Empfängers anpassen.

Nur bekannte Wörter einsetzen. Auf Fremdwörter verzichten. Bedeutung von Fachbegriffen Nichtfachleuten erläutern.

Eine Aussage wird zwar gehört, aber nicht immer verstanden, weil beim Sprechen keine Anpassung an das Wissens- und Sprachniveau erfolgte. Das ist bei Mitteilungen von Ärzt*innen nicht selten der Fall, so dass Pflegekräfte die Übersetzerrolle übernehmen müssen.

Damit andere uns verstehen, müssen wir in einer Sprache sprechen. Logisch – man wird nicht verstanden, wenn man in einer fremden Sprache redet.  Aber man wird auch dann nicht (richtig) verstanden, wenn benutzte Wörter nicht zum Wortschatz des*der Anderen gehören: zumindest zum passiven Wortschatz. Im Durchschnitt benutzt ein*e Muttersprachler*in 12.000 bis 16.000 Wörter. Im Vergleich zum aktiven Wortschatz wird der passive auf etwa 50.000 Wörtern geschätzt. Das sind Wörter die zwar nicht genutzt, aber verstanden werden. Wer kein*e Muttersprachler*in ist, hat einen kleineren aktiven und passiven Wortschatz (Sprachcoach, 2023).

Der Wortschatz verschiedener Generationen unterscheidet sich. Viele Wörter aus alten Zeiten sind nicht mehr geläufig und werden von jungen Menschen mitunter nicht immer (richtig) verstanden. Hinzukommt, dass sich die Bedeutung von einigen Wörtern im Lauf der Zeit verändert. Ältere Menschen verbinden mit dem Wort „geil“ die Bedeutung „sexuell erregt“. Jugendliche setzten es für etwas besonders Interessantes ein.

Es gibt im Deutschen etwa 60.000 Fremdwörter – also Wörter, die aus Wortelementen alter Sprachen, wie Latein oder Altgriechisch, oder fremder Sprachen übernommen wurden, wie Jargon (aus dem Französischen) oder das englische Wort Slang für Umgangssprache bestimmter Gruppen. Wörter wie Appell, Bandage, Dessert, Pardon stammen aus der französischen Sprache. Anglizismen sind aus dem Englischen stammende Wörter, z B. Team, Manager, Job, Ticket. Einige haben den Weg in die Alltagssprache gefunden und werden von vielen Menschen verstanden, andere hingegen nicht (studysmarter, 2023).

Viele Fremdwörter und vor allem Fachbegriffe sind Teil der Berufssprache. Menschen, die dort nicht tätig sind oder keine Berührung mit dem Beruf haben, wissen häufig nicht, was diese im Detail bedeuten. Die neue Hausärztin weiß vom Grundsatz zwar, was Anamnese und Visite bedeutet, aber was alles zu einer Pflegeanamnese oder einer Pflegevisite gehört, ist ihr wahrscheinlich nicht im Detail bekannt, wenn sie vorher keine Berührungspunkte mit ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen hatte.

 

Achtsam mit Sprache umgehen.

Sachverhalte angemessen ausdrücken. Personen wertschätzend und nicht nach ihren Einschränkungen benennen.

Es gibt das Zitat „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen“ (Twain, 1988). Das gilt auch für die Wortwahl in der Pflege und über die Pflege. Infantilisierende Begriffe, wie „Füttern“ oder „Windeln oder Pampern“ werden inzwischen kaum noch verwendet. Es gilt auch das Bewusstsein für verkürzende Sprachweisen und Gewaltsprache („Wir machen Sie jetzt mal fertig“; „Schießen Sie los“; „Ich habe ein Attentat vor auf Sie“) zu schärfen.

Wichtig ist zudem, dass aus gesundheitlichen Einschränkungen von Menschen (wie z.B. Menschen, die einen Rollstuhl benötigen oder an Demenz erkrankt sind) keine Personenbezeichnungen und aus Verhaltensweisen keine Personenzuschreibungen werden. Der Mann im Rollstuhl ist weit mehr als ein Rollstuhlfahrer. Auch Menschen mit einer psychischen Störung oder Demenzerkrankung bleiben Personen mit Wünschen, Gefühlen und verdienen, dass man würdevoll mit und über sie spricht. Herr Müller zeigt aggressives und Frau Müller unkooperatives Verhalten – aber nicht nur diese Verhaltensweise zeichnen beide aus. Achten Sie darauf, Menschen nicht nach ihren Einschränkungen zu benennen.

 

Gute Kommunikation ist Kommunikation, die auf Respekt und Wertschätzung beruht.

Zeigen Sie Präsenz und echtes Interesse für Ihr Gegenüber als Menschen. Bringen Sie den Menschen Respekt entgegen, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen. Respektieren Sie andersartiger Ansichten und Meinungen.

Die letzte Regel wird an dieser Stelle nur benannt und im nächsten Modul näher erläutert.
Auf die Macht der Sprache und den Einsatz einer adressaten- und situationsgerechten Sprache wird im Themenmodul „Kompetenzkommunikation“ ausführlicher eingegangen. Dort gibt es auch einen Abschnitt zu respektvoller und wertschätzender Kommunikation und speziell den Umgang mit Respektlosigkeit.