In der modernen Arbeitswelt ist die Wertschätzung von Beschäftigten eine Schlüsselgröße für Innovation, Dienstleistungsqualität, wirtschaftlichen Erfolg und die Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten. Eine gesteigerte Kompetenzvermutung in der Gesellschaft, bei Arbeitgeber*innen, Führungskräften, Kolleg*innen und Pflegebedürftigen sowie deren Angehörigen ist die Basis dafür, dass diese Akteur*innen die Arbeit der Pflegekräfte besser wertschätzen.
Für das Entwickeln von gelingender Kompetenzkommunikation (also die Fähigkeit, die Professionalität des eigenen beruflichen Handelns gegenüber unterschiedlichen Kommunikationspartner*innen kompetent und adressat*innen- sowie situationsangepasst formulieren zu können) ist ein Grundgedanke leitend: Eine verbesserte individuelle Kommunikation über den Beruf und die berufliche Tätigkeit beeinflusst tatsächlich den Eindruck anderer gegenüber der Pflegekraft selbst und gegenüber dem Beruf.
In diesem Lernobjekt erfahren Sie die Zusammenhänge der gelingenden Kompetenzkommunikation. Die Bearbeitungszeit dieses Lernobjekts beträgt ca. 30-45 Minuten.
Die Steigerung der Kompetenzkommunikation ist ein elementarer Ansatzpunkt zur Wahrnehmung von Berufsstolz, zu dem Erleben sozialer Wertschätzung, zu der Verbesserung von Arbeitsbedingungen und damit schlussendlich auch der Verbesserung der Pflegequalität. Folgende Grafik stellt die Grundlage des Projekts KoWeP dar und beschreibt die Zusammenhänge der Kompetenzkommunikation:
Der erste Schritt in der Wirkungskette ist eine gesteigerte Kompetenzvermutung durch eine gelingende Kompetenzkommunikation. Gelingende Kompetenzkommunikation von Pflegenden hinterlässt bei den Interaktionspartner*innen, bspw. den Pflegeempfänger*innen, deren Angehörigen, den Kolleg*innen oder weiteren für die Versorgung zuständigen Personen, die Vermutung einer hohen Kompetenz. Diese hohe Kompetenzvermutung wiederum steigert bei den Pflegenden in Interaktionen verschiedenster Art die erfahrene Wertschätzung durch Arbeitgeber*innen und auch durch die Öffentlichkeit (Fuchs-Frohnhofen, Ciesinger, Scheen, 2023).
Auch das eigenen Stolzerleben auf den Beruf wird beeinflusst. Der Berufsstolz schlägt sich in einem hohen pflegerischen Selbstbewusstsein und der beruflichen Identität nieder, welche wiederum eine gelingende Kompetenzkommunikation fördern. Denn Kompetenzkommunikation speist sich ebenso aus der kommunikativen Fertigkeit und der eigenen Kompetenzüberzeugung, die dazu motiviert, die eigene Kompetenz auch zu kommunizieren (Fuchs-Frohnhofen et al., 2023).
Gelingende Kommunikationskompetenz, die von Berufsstolz getragen wird, setzt pflegerische Prozesse mit Pflegekonzepten und Fachsprache in Beziehung, verdeutlicht die Komplexität der pflegerischen Arbeit, passt das Sprachniveau an die Zielgruppe und den Kontext an und beinhaltet zudem eine selbstbewusste Körpersprache (Fuchs-Frohnhofen et al., 2023).
Die durch die gelingende Kompetenz erfahrene soziale, organisationale und gesellschaftliche Wertschätzung führt zur Bereitstellung guter Arbeitsbedingungen, die dann seitens der Pflegekräfte zur Arbeitszufriedenheit beitragen. Emotionale Stressoren durch erlebte Geringschätzung reduzieren sich und die Arbeitssituation motiviert die Pflegekräfte und Arbeit wird als erfüllend empfunden. Durch das Schaffen von attraktiver Arbeit werden qualifizierter Nachwuchs und der Erhalt und die Steigerung der Qualität der pflegerischen Arbeit sichergestellt. Eine hohe qualitativ durchgeführte Pflege wirkt sich wiederum auf die Kompetenzvermutung beteiligter Akteur*innen aus (Fuchs-Frohnhofen et al., 2023).
Misslungene Kompetenzkommunikation bewirkt entsprechend geringe Kompetenzvermutung bei Interaktionspartner*innen, weniger oder keine soziale Wertschätzung und daraus resultierend geringeren oder fehlenden Berufsstolz bis hin zu der Möglichkeit der Berufsscham. Kompetenzkommunikation, die von Berufsscham geleitet wird, geht einher mit einer Banalisierung der pflegerischen Tätigkeit. Die Arbeit wird ausschließlich an episodischen Verrichtungen orientiert in einer banalisierenden Ausdrucksweise und Alltagssprache erörtert.
Die Körpersprache hierbei ist defensiv. Die durch die nicht gelingende Kompetenzkommunikation und damit einhergehende nicht vorhandene Kompetenzvermutung ausgelöste niedrig erlebte Wertschätzung führt zu einer sinkenden Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer Arbeitssituation und der Erhöhung der subjektiven emotionalen Belastung. In der Fortsetzung dieses Regelkreises kann durch mangelhafte Kompetenzkommunikation tatsächlich als Konsequenz die Kompetenz der Pflegekräfte sinken und qualifizierter Nachwuchs ausbleiben (Fuchs-Frohnhofen et al., 2023).
Es entsteht in der Summe ein selbstverstärkendes System – im Positiven wie im Negativen.
Letztlich bietet damit jedes Element des hier aufgezeigten Wirkungsgefüges auf der Seite der Pflegekräfte aber auch auf der Seite der ganz unterschiedlichen Kommunikationspartner*innen der Pflegekräfte in den Einrichtungen und Diensten, aber auch in der Gesellschaft, die Chance, Kompetenzdialoge zu verbessern und Wertschätzung auszubauen.
Ihr eigenes Kommunikationsverhalten – im professionellen wie auch im privaten Kontext, in persönlicher Interaktion wie auch in den (sozialen) Medien – beeinflusst somit das gesellschaftliche Bild der Pflege und bringt damit auch weitreichende Konsequenzen für den Beruf und die verbundene Tätigkeit (Fuchs-Frohnhofen et al., 2023).
Die Do's und Dont's der Kompetenzkommunikation
Die dargestellte grundlegende Wirkungskette beinhaltet explizit nicht die Beschreibung der Handlungsmöglichkeiten zur positiven Beeinflussung von Kompetenzkommunikation, sondern beschreibt mögliche Auswirkungen und Verstärkungsmechanismen gelungener oder misslungener Kompetenzkommunikation.
In Erweiterung der Wirkungskette Kompetenzkommunikation wird im Projekt KoWeP erarbeitet, wie Kommunikation gestaltet werden muss, um einen positiven Eindruck der eigenen Kompetenz bei den Kommunikationspartner*innen zu erzeugen (Ciesinger et al., 2023).
An dieser Stelle nimmt das Konzept des Berufsstolzes einen maßgeblichen Stellenwert ein: In Kommunikation kommt zum Ausdruck, ob man stolz auf den eigenen Beruf bzw. die individuelle Berufsausübung ist – oder ob man sich eigentlich dafür schämt, „nur“ Pflegefachperson zu sein. Nach dem Prinzip der gegenseitigen Beeinflussung von Kommunikationsverhalten und Berufsstolz (s.o.) liegt der Rückschluss nahe, dass die im Nachfolgenden genannten Verhaltensweisen und Kommunikationstechniken zu einer Förderung des Berufsstolzes beitragen.
So sollten Berufsausübende bestimmte Sachverhalte betonen und andere Sachverhalte ausblenden, wenn sie ihre Kompetenz herausstellen wollen bzw. diejenigen Fakten benennen, die wertvoll für die Kompetenzdarstellung sind und diejenigen ausblenden, die das nicht sind. Hiermit ist zugleich verbunden, bestimmte Kommunikationsstile anzuwenden und andere zu vermeiden. Eine entsprechende Übersicht zeigt die nachfolgende Abbildung (Ciesinger et al., 2023).
Die in der Grafik dargestellten Aspekte zur Förderung von Berufsstolz vs. Berufsscham werden im Folgenden näher erläutert.
Beschreibung von Pflegekonzepten versus Beschreibung von Verrichtungen
Die notwendigen Kompetenzen des Pflegeberufs bestehen nicht aus einzelnen isolierten und einfachen Verrichtungen, sondern aus abgeschlossenen zielgerichteten Handlungen, die wiederum einem übergeordneten Zweck dienen, der in Pflegekonzepten beschrieben ist. Für den Laien erscheint der Pflegeberuf allerdings oftmals als Aneinanderreihung von einfachen Verrichtungen, was den Eindruck der Pflege als eine „Jedermanntätigkeit“ fördert.
Soll die Kompetenz der Pflegenden und des Pflegeberufs vermittelt werden, so ist es demzufolge unabdinglich, bei der Beschreibung der einzelnen Tätigkeiten der Pflege den konzeptionellen Kontext mitzuliefern. Die Beschreibung muss also neben einer Darstellung der Tätigkeit auch den Zweck enthalten.
Gerade hier scheint es jedoch erhebliche Defizite zu geben. So beschreiben Pflegende ihre Tätigkeit oft als einen Ablauf körpernaher Handlungen bzw. individuell und unstrukturiert. Vielfach gelingt es ihnen nicht ohne Schwierigkeiten, wichtige sozial-pflegerische Tätigkeiten zu beschreiben. In der Reflektion und Verbesserung dieser Kommunikationselemente liegt ein wesentlicher Schlüssel zur Förderung von Kompetenzkommunikation (Ciesinger et al., 2023).
Anpassung des Sprachniveaus an die Zielgruppe und den Kontext versus Generelle Orientierung am Sprachniveau der Pflegesituation
Die in der Pflegesituation mit den Pflegebedürftigen verwendete Sprache ist oftmalsstark reduziert, emotionalisierend und vereinfachend. Dies dient der Verbesserung der Verständlichkeit gegenüber den oftmals kognitiv eingeschränkten Pflegebedürftigen und der Herstellung einer positiven, scham- und angstfreien Situation.
Die häufige Verwendung in Pflegesituationen, dem Haupttätigkeitsbereich von Pflegefachpersonen, mag dazu führen, dass diese in der Pflegesituation adäquate vereinfachende Kommunikationsform in andere Kontexte übertragen wird. Kommunikation mit anderen Zielgruppen wie Angehörigen erfordert im Unterschied hierzu jedoch die kontext- und zielgruppenbezogene Anpassung des Sprachniveaus (Ciesinger et al., 2023).
Nutzung der Fachsprache versus Nutzung der Alltagssprache
Die Pflegefachsprache, die innerhalb der Berufsgruppe oder zur Kommunikation mit anderen Professionen verwendet wird, ist eine grundlegend andere als die Alltagssprache, da sie eher zum präzisen Informationsaustausch in Fachkreisen genutzt wird. In der intra- und interprofessionellen Kommunikation ist die Anwendung von Fachsprache daher notwendig.
Dementsprechend ist es unabdingbar, gegenüber fachfremden Personen eine andere Sprachebene zu wählen; je nach Zweck und Kommunikationspartner*in muss diese hinsichtlich Wortwahl und Darstellung von Zusammenhängen in unterschiedlichem Grade vereinfachend sein. Es ist also notwendig, das erforderliche Sprachniveau zwischen Alltags- und Fachsprache zu differenzieren und die Kommunikation entsprechend anzupassen (Ciesinger et al., 2023).
Selbstbewusste Körpersprache versus defensive Körpersprache
Da durch die Körpersprache eine ständige Aussendung sowie Wahrnehmung von Botschaften erfolgt, enthüllt diese mehr über einen Menschen, seine Gedanken und Gefühle, als das Gesagte. Insbesondere die Hierarchie der Beziehungen zwischen Kommunikationspartner*innen und die Überzeugungskraft des verbal Kommunizierten werden durch die Körpersprache beeinflusst.
Defensive Körpersprache wird daher dazu beitragen, dass der Status der Pflegefachperson und auch die Überzeugungskraft des Gesagten gesenkt werden. Somit wirkt sich Körpersprache verstärkend oder reduzierend auf die Wirkung der o.g. Kommunikationsstrategien aus (Ciesinger et al., 2023).
Verdeutlichung der Komplexität versus Banalisierung der Tätigkeit
Dennoch ist anzumerken, dass es durchaus sinnvoll sein kann, die Pflegetätigkeit in bestimmten Situationen banalisierend zu beschreiben, z.B. wenn es um die Beruhigung von Pflegebedürftigen oder den Abbau von Ängsten der Angehörigen geht. Auf der anderen Seite kann eine Banalisierung jedoch ebenfalls zu der Wahrnehmung führen, dass die Pflegetätigkeit an sich banal sei.
Pflegefachpersonen sollten daher über die Kompetenz verfügen zu entscheiden, wann sie Sachverhalte banalisieren sollten und wann sie dies nicht tun.
Im Prinzip kann dieser Wahrnehmungseffekt auch umgekehrt genutzt werden: Wenn die Darstellung von Komplexität der Pflege bzw. einzelner Pflegehandlungen in die Kommunikation bewusst eingestreut wird, könnte der Eindruck hoher Komplexität des Berufsfeldes entstehen und damit die Vermutung hoher Kompetenzen der Berufsausübenden (Ciesinger et al., 2023).